147. Revierderby:Lieber Urlaub

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Dortmunds Marco Reus fällt mit einem Muskelfaserriss mindestens zwei Wochen lang aus, Schalke hofft auf die Rückkehr des verletzten Matip: Beim Duell der Traditionsklubs aus dem Ruhrgebiet trifft Skepsis auf Vorfreude.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen/Dortmund

Anfang der Woche sah sich Schalkes Manager Horst Heldt genötigt, den Cheftrainer André Breitenreiter zu einer Pressekonferenz zu schicken. Er sollte Gelegenheit erhalten, Aussagen zu "revidieren", die er am Wochenende zuvor getroffen hatte. Breitenreiter betonte zwar, dass es lediglich darum gehe, seine Äußerungen "zu präzisieren", aber am Sachverhalt änderte das wenig. Der Coach hatte ein Politikum aufgeworfen, als er die am Sonntag anstehende Partie in Dortmund zum "Bonusspiel" degradierte. Widerwillig distanzierte er sich von seiner Formulierung und stellte fest, Schalke werde selbstredend "niemals in einem Spiel chancenlos sein".

Am Donnerstagabend nun hat die Schalker Mannschaft im Europa-League-Spiel bei Sparta Prag Solidarität mit dem gemaßregelten Trainer geübt - sie hat eine Leistung geboten, die umfassend zur Skepsis berechtigt. Die Hintergründe des 1:1 beim tschechischen Meister bestätigten den unguten Trend (zuletzt nur ein Sieg in sieben Spielen) und gaben Breitenreiter wenig Anlass zu mutigen Erwartungen für das große Derby am Sonntag. Angesichts der nervösen Deckungsarbeit, der unzählbar zahlreichen Fehlpässe im Aufbauspiel und einer Offensive, die sich in gelegentlichen Einzelleistungen äußerte, war das Remis noch das Beste am Ausflug nach Tschechien.

Muskelfaserriss: Reus fällt mindestens zwei Wochen aus

Das Bewunderungswürdige an Fußballern ist aber, dass sie nach Abpfiff einer miesen Partie sofort imstande sind, Optimismus fürs nächste Spiel zu schöpfen. "Derby ist Derby, da ist alles möglich", sagte Mittelfeldchef Johannes Geis, der allerdings leicht reden hat - am Sonntag wird er wieder seine Sperre absitzen. Auch Klaas-Jan Huntelaar, der bedauernswerte Torjäger, dem die Mitspieler in Prag kein einziges brauchbares Zuspiel servierten, berief sich nicht auf sportliche Argumente, als er dem BVB harte Gegenwehr versprach. Es ginge darum, Schalkes "Ehre zu verteidigen", sagte er.

In Dortmund erwartet man den alten Widersacher mit der Gelassenheit, die aus sechs hintereinander gewonnenen Spielen resultiert. Der Schock des 1:5 beim FC Bayern ist längst überwunden. Den FC Quäbälä besiegte die Borussia am Donnerstag quasi im Vorbeigehen, "es war nichts Spektakuläres", sagte Ilkay Gündogan über den 4:0-Sieg, der nach vier Spieltagen das Erreichen der K.o.-Runde in der Europa League sicherte. Mehr Aufsehen als das Spielgeschehen rief eine Auswechslung hervor. Marco Reus, Schütze des 1:0, blieb zur Pause wegen Leistenproblemen in der Kabine. Am nächsten Tag erhielt der Nationalspieler die Diagnose: Muskelfaserriss, zwei Wochen Pause. Damit verpasst Reus nicht nur das Derby, sondern auch die Länderspiele gegen Frankreich und die Niederlande. In Dortmund hält sich das Entsetzen in Grenzen. "Wir freuen uns sehr, sind gut in Form, das Spiel kommt gerade recht", verkündete Gündogan.

Schalke hofft auf die Rückkehr des verletzten Matip

Den Schalkern wäre eine Urlaubspause vermutlich lieber. Am Donnerstag ersetzten Neustädter und Ayhan in der Innenverteidigung die krankgemeldeten Matip (Hexenschuss) und Höwedes (Handbruch). Der Improvisationscharakter war nicht zu übersehen, zumal die Außenverteidiger Caicara und Aogo die Deckung ebenso unzureichend stabilisierten wie Höjbjerg und Geis im Mittelfeld. Ob zumindest Matip, im Abwehrzentrum durch seine Reichweite und Zweikampfstärke eine Schlüsselfigur, wieder mitspielen kann, ist noch ungewiss.

Die Trainer Thomas Tuchel und André Breitenreiter erleben am Sonntag an ihren immer noch recht neuen Arbeitsplätzen ihr erstes Derby. Tuchel zeigte Gespür für die passende Prosa. "Die Luft wird knistern", verkündete er, während sich der Schalker Kollege ziemlich mühen musste zur Zuversicht. Dieses 1:1, sagte er, "trübt die Derby-Stimmung nicht. Wir haben uns weiteres Vertrauen geholt, weil wir wieder nicht verloren haben." In der sensiblen Situation, in der sich Schalke und auch Breitenreiter befinden, wäre der eine oder andere Bonuspunkt doppelt willkommen.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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