1860-Präsident Gerhard Mayrhofer:"Wir stehen einer Investition nicht im Wege"

Karlsruher SC v 1860 Muenchen  - 2. Bundesliga

"Wir stehen einer Investition von Hasan doch wirklich nicht im Wege": 1860-Präsident Gerhard Mayrhofer

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Gerhard Mayrhofer blickt auf die Saison beim TSV 1860 München zurück, die fast in der Katastrophe endete. Im SZ-Interview spricht der Vereinspräsident über die Funkstille mit Investor Ismaik und die Zukunft vom umstrittenen Sport-Geschäftsführer Poschner.

Interview von Markus Schäflein und Philipp Schneider

SZ: Die Situation beim TSV 1860 hat mittlerweile auch den Vermarkter Infront auf den Plan gerufen - morgen kommt Günter Netzer nach München. Was erwarten Sie sich davon?

Mayrhofer: Das ist mir neu, aber ich muss ja auch nicht alles wissen, was bei uns passiert. Ich freue mich und bin gespannt, wenn wir die externe Meinung eines ausgewiesenen Experten hören können.

Netzer wird sich sicher auch für die Personalie des Sport-Geschäftsführers interessieren. Die Investorenseite möchte, dass Gerhard Poschner bleibt - wie sieht es der Verein?

Noor Basha (Münchner Statthalter des Investors, d. Red.) hat sich bisher klar für Gerhard Poschner ausgesprochen. Die Meinung von Hasan Ismaik dazu kennen wir noch nicht. Der Verwaltungsrat des e.V. wird sich hierzu eine gemeinsame Meinung bilden, die wir abwarten müssen.

Der Kontakt zu Investor Ismaik ist komplett abgerissen?

Ja, seit Anfang des Jahres. Ich habe keine Erklärung dafür, aber er ist abgerissen. Auch in der Trainerfrage haben wir nicht kommuniziert, Ismaik ist dazu befragt worden, über Noor Basha. Noor Basha ist unser Kontakt zur Investorenseite.

Kam dann Torsten Fröhling als Trainer, weil Ismaik keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellen wollte?

Ich weiß nicht, ob das an den Mitteln lag. Man konnte offensichtlich keine Einigung erzielen. Wobei ich sehr glücklich bin, dass Torsten Fröhling unser Coach ist. Für mich war das völlig in Ordnung.

Aber letztes Jahr gab es doch noch Kontakt zu Ismaik, da gab es SMS, da gab es Telefonate?

Ja.

Und dann ist er plötzlich nicht mehr dran gegangen?

Genau. Was ich sehr bedauere, denn es ist relativ schwierig, wenn die beiden Gesellschafter nicht direkt miteinander sprechen. Wenn Hasans Wunsch ist, dass wir jetzt nur noch mit Noor Basha sprechen, dann tun wir das so, ganz klar. Aber natürlich würde ich mich über einen direkten Kontakt freuen. Wir sind ja angetreten, um das Verhältnis zu Hasan auf gesunde Füße zu stellen. Das Verhältnis ist auch sehr, sehr gut - gewesen.

"Was Noor letztendlich Hasan erzählt, das weiß ich nicht"

Dennoch gab es zur vergangenen Saison keine Investitionen in den Kader?

Nein, im Wesentlichen waren nicht mehr Mittel zur Verfügung im Vergleich zur Vorsaison. Der Kader wurde nur umgebrochen. Es wurden Spieler gegen andere Spieler getauscht. Das sind Dinge, die haben sich so ergeben, was sollte ich da ändern? Ich war schon ein bisschen ernüchtert, weil ich natürlich mehr erwartet hatte. Wir haben alle Dinge, die wir mit Hasan besprochen hatten, erfüllt: Wir haben die operativen Verluste um 30 Prozent gesenkt, wir haben eine neue Organisation aufgesetzt und ein neues Financial Reporting, weil er sich immer wieder beschwert hatte, dass er nicht genau wusste, wo wir stehen - was auch stimmte. Das war alles nicht so gut, als wir angefangen haben. Aber das ist alles erledigt worden. Wir hatten ihm auch zugesichert, dass der Verwaltungsrat nicht mehr öffentlich auftritt, und auch das hat funktioniert. Alles, was wir ihm versprochen haben, ist eingetreten. Parallel war es sportlich natürlich nicht gut, und ich kann mir vorstellen, dass das seine Unzufriedenheit geschürt hat. Aber sportlichen Erfolg konnten wir ihm leider nicht zusichern.

Aber das ist ja der Verantwortungsbereich des Sport-Geschäftsführers, und diesem hat Ismaik ja explizit zugestimmt?

Ja. Gerhard Poschner war ja auch in Abu Dhabi, da war ich nicht dabei.

Auffällig ist, dass Sie bei den Heimspielen nicht mehr neben Noor Basha sitzen.

Ich sitze noch da, wo ich immer sitze.

Aber er sitzt nicht mehr da.

Das kann sein. Letztlich ist es seine Entscheidung, wo er sich hinsetzt. Da kann ich relativ wenig beeinflussen.

Es entsteht jedenfalls der Eindruck, dass er derzeit nicht der Mittelsmann ist, der er sein könnte oder sollte.

Er ist der Mittelsmann. Was Noor letztendlich Hasan erzählt, das weiß ich nicht, ich bin ja nicht mit dabei. Noch einmal: Wenn es der Wunsch von Hasan ist, dass wir nicht mehr direkt kommunizieren, entsprechen wir dem. Dann ist es aber auch so, dass sich daraus die Konsequenz ergibt, dass wir von Vereinsseite hier Dinge direkt entscheiden müssen. Auch wenn wir viel lieber eine einvernehmliche Entscheidung hätten.

Sie meinen die Sportchef-Frage. Wann haben Sie erstmals daran gedacht, nicht mit Gerhard Poschner weiterzuarbeiten?

Wenn ich mir jemand ausgesucht habe und ihm die Verantwortung gebe, Geschäftsführer zu sein, dann hat er erst einmal mein Vertrauen. Man kann sich seine Entscheidungsgrundlagen anhören, aber letztendlich entscheidet der Geschäftsführer Sport. Wenn ich über Transfers entscheiden würde, würde ich das für relativ absurd halten. Das kann ein Präsident mit einem entsprechenden Hintergrund im Fußball machen, aber das ist ja nun mal bei mir nicht der Fall. Darum hat es keinen einzigen Transfer gegeben, den wir von Vereinsseite abgelehnt hätten. Das heißt, es geht um Vertrauen. Natürlich erwarten dann auch alle, dass entsprechende Ergebnisse geliefert werden. Die Leistungsbilanz ist entscheidend. Beide Gesellschafter müssen sich natürlich fragen: Ist das alles im Sinne der Sache gelaufen?

"Wenn Bülow dieses Tor nicht schießt, sind wir in dieser Katastrophe"

Welche Fehler lassen sich aufzeigen?

Ich würde hier gar nicht so sehr über Fehler oder nur über Transfers reden. Fakt ist, dass wir bis zur 90. Minute des zweiten Relegationsspiels abgestiegen waren. Und dieser Abstieg wäre für diesen Verein eine Katastrophe gewesen. Wir waren ganz kurz vor dieser Katastrophe. Wenn Kai Bülow dieses Tor nicht schießt, sind wir in dieser Katastrophe. Also was ist jetzt bitte schön der Unterschied, dort zu sein oder nicht zu sein? Was rechtfertigt sich jetzt plötzlich? Die Fragen, die sich für mich stellen, sind: Glauben wir, dass das nächste Saison gut geht? Was wird in der nächsten Saison konkret anders und glauben wir alle daran? Das sind auch für den Verwaltungsrat dringende Fragen.

Und der Trainer? Zuletzt standen gegen Kiel nur noch zwei Zugänge auf dem Platz.

Das sind natürlich alles wesentliche Signale, die hier besprochen werden müssen.

Das heißt, Poschner muss gehen?

Das ist für mich keine einfache Situation, weil ich gerne den Telefonhörer in die Hand nehmen und mit meinen Gesellschafterkollegen darüber sprechen möchte. Ich kann das natürlich auch mit Noor Basha machen, aber seine Meinung kenne ich ja schon. Das ist eine seltsame Entwicklung, die mir nicht gefällt. Denn 1860 ist mehr als ein Investmentobjekt. Es ist ein sehr alter Traditionsverein aus München, an dem sehr viele Herzen hängen.

Noor Basha hat geäußert, das Problem von Sechzig sei, dass zu viele mitreden, unter anderem Sie und der Verwaltungsratschef. Das sei in Hoffenheim und bei Red Bull nicht so.

Das kann ich mir vorstellen, dass ihm das nicht so gut gefällt. Man muss sich aber vorher überlegen, in was man einsteigt. Red Bull Leipzig und 1860 München - das ist ein für mich völlig unzulässiger Vergleich. Wir haben 20 000 Mitglieder, wie viele Mitglieder hat Red Bull Leipzig?

14 stimmberechtigte.

Und wir sind ein großer Verein aus München, und in den hat Hasan Ismaik Geld investiert. Eventuell ist das die Problematik für ihn, sich daran zu gewöhnen, dass es da noch andere Leute gibt, die auch eine Meinung haben. Daran muss man sich aber gewöhnen.

Noor Basha hat Investitionen in Aussicht gestellt für den Fall, dass Präsident und Verwaltungsrat sich nicht dauernd einmischen würden.

Das ist lustig. Das habe ich irgendwann schon mal gehört. . . Wir stehen einer Investition von Hasan doch wirklich nicht im Wege, wir haben ihm den roten Teppich in jeglicher Richtung ausgerollt. Es hat überhaupt keinen Grund mehr gegeben, nicht zu investieren in den Verein. Irgendwie komme ich mir langsam ein bisschen komisch vor: Ich habe immer das Gefühl, ich muss die Firma retten, die jemand anderem gehört, der aber nicht mit mir redet. Das ist eine einzigartige Situation, die ich zum ersten Mal in meinem Leben erlebe. Ich kann nur permanent meine Hand reichen, annehmen muss sie Hasan Ismaik.

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