2. Liga: TSV 1860 München:Letzter Ausweg Investor

1860 München begräbt mit dem 1:3 gegen den VfL Bochum die heimlich gehegte Aufstiegshoffnung. Finanziell steht der Verein vor den wichtigsten Monaten seit Jahrzehnten.

Gerald Kleffmann

Die Worte waren als Trost gedacht. 1860 München hätte "mit zehn Mann fantastisch" gespielt, lobte Friedhelm Funkel, die Löwen hätten gar "unglaubliches Herz gezeigt". Nur nach dem Ausgleich von Benjamin Lauth (71.) "wollten sie vielleicht zu viel". Der VfL Bochum, der am Samstag in der Münchner Arena durch einen zweifelhaften Elfmeter in Führung gegangen war (Zlatko Dedic/45.), konnte sich schließlich aufgrund des zu forschen Vorpreschens der Gastgeber noch einen 3:1-Sieg erkontern; es war der fünfte Erfolg in Serie für den Bundesliga-Absteiger.

1860 Muenchen v TuS Koblenz - 2. Bundesliga

Bis Juni muss der TSV 1860 mindestens nochmal drei Millionen Euro nachweisen.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

"So ähnlich wird es auch von mir gesehen", pflichtete Reiner Maurer dem Amtskollegen Funkel knurrend bei. Der 1860-Trainer sah unendlich mitgenommen aus. Zu allem Überfluss war er wegen seines Protests nach dem Elfmeter und der roten Karte für den 1860-Verteidiger Kai Bülow auf die Tribüne verbannt worden.

"Der Abstand ist brutal groß"

Gleich mit dem ersten Spiel der Rückrunde wurde der TSV jeglicher Hoffnung beraubt, sich heimlich weiter mit dem Thema Aufstieg befassen zu können. "Ein Geheimfavorit auf den Aufstieg sind wir", wurde Sportchef Miroslav Stevic im Stadionheft noch voller Zuversicht zitiert. Nach der fünften Saisonniederlage und der siebten Partie hintereinander ohne Erfolg ist jedoch endgültig Ernüchterung eingekehrt. "Der Abstand nach oben in der Tabelle ist brutal groß", räumte Kapitän Daniel Bierofka zähneknirschend ein, "wir müssen jetzt schauen, dass wir eine gute Saison zeigen."

Schon aus Imagegründen ist diese Zielvorgabe tatkräftig umzusetzen, denn das folgende Halbjahr wird das wichtigste des Traditionsklubs seit Jahren, vielleicht seit Jahrzehnten. Nur wenn es gelingt, einen millionenschweren Investor zum Einstieg zu bewegen, kann insbesondere der nächste Liquiditätsnachweis im Juni gelingen. Dann müssen weitere, wohl mindestens rund drei Millionen Euro bei der DFL vorgelegt werden. Im März findet zuvor das Lizenzierungsverfahren für die nächste Saison statt; viele Zahlen, die die DFL gerade von 1860 erhielt, dürften ihre Gültigkeit behalten.

Im Klub selbst wertete man das Bestehen des DFL-Termins vergangene Woche als erste Stufe der Sanierung, "dieser Schritt war die Grundlage, um mit weiteren Investoren oder anderen Leuten zu sprechen", sagte Vizepräsident Dieter Schneider, 63. Er scheint immerhin guter Dinge zu sein, frisches Geld akquirieren zu können: "Wir haben schon einige Reaktionen von seriösen Leuten, die meinten: Wenn ihr das schafft, sprechen wir weiter."

Dem Vernehmen nach wurde im Dezember mit einem möglichen Investor aus Hessen verhandelt, der bereits bei anderen Profiklubs aktiv ist. Und dann gilt nach wie vor der Immobilienhändler und Spielerberater Nicolai Schwarzer als ein Kandidat, er hat dem Klub bereits ein mittleres sechsstelliges Darlehen gewährt sowie einen angeblich hohen sechsstelligen Betrag in die Tochterfirma LSV gesteckt, die mit Transferrechten handelt. Wie zu hören ist, herrscht in der Führungsspitze Einigkeit darüber, dass ein Investor der letzte Ausweg ist. Und auch darüber, dass künftige TV- oder Zuschauereinnahmen verpfändet oder verkauft werden könnten.

Was ist 1860 wert?

Über die Bewerber soll es aber unterschiedliche Auffassungen geben. Auffallend war stets, wie reserviert sich Schneider zur Person Schwarzer äußerte, dessen Hintergründe nicht ganz klar erscheinen und Fragen aufwerfen - während Geschäftsführer Robert Schäfer, 34, angetan zu sein scheint von dem jungen Berliner Unternehmer.

Als nächsten Schritt dürften sich die 1860-Verantwortlichen mit der Frage beschäftigen, was der 49-prozentige Anteil der Profifußballabteilung, der laut DFL-Statuten höchstens abgetreten werden kann, wert ist. Schneider hatte zuletzt jedoch betont, dass 1860-Anteile zurzeit zu wenig erwirtschaften würden - umso wichtiger wäre ein sportlicher Aufwärtstrend, um den Preis hochzutreiben.

Doch ob der jetzige Kader diesen bewerkstelligt, ist fraglich. Erstaunlich im Grunde, von der Gehaltsstruktur sollen einige Profis fürstliche Zweitligagehälter kassieren, was aus nachvollziehbaren Gründen erst dem kompetenten Schneider bei dessen Amtsübernahme im Oktober auffiel: Für die vergangene und diese Saison soll es offenbar keine schriftlich fixierte Budgetplanung hinsichtlich des Kaders gegeben haben. Auch diesbezüglich wird Schneider sicher einiges bewegen.

Klar ist: 1860 muss sich neu definieren - und Dritte mit Geld in den Klub holen, was den traditionsbewussten Fans aufstoßen dürfte. Doch wenn der erbrachte Liquiditätsnachweis in Höhe von 5,3 Millionen Euro etwas gezeigt hat, dann das: Bei den Löwen muss alles auf den Prüfstand, sportlich, strukturell.

Manche Zahlen verdeutlichen den Ernst der Lage. Acht Millionen Euro Schulden soll 1860 haben. Der Zuschauerschnitt sinkt und sinkt, gegen Bochum kamen keine 17000. Und die hauseigenen Talente, die finanzielle Absicherung des TSV, werden nicht mehr mit 21 abgegeben - sondern mit 18 wie im Fall Moritz Leitner.

FC Bayern hilft wieder

Der Liquidiätsnachweis gelang auch wegen des zehnprozentigen Gehaltsverzichts von Profis und Mitarbeitern - vor allem aber auch deshalb, weil angeblich mindestens eine Bank ihre Kreditlinie erhöhte und Schulden erst später beglichen werden müssen. Der FC Bayern etwa hat abermals eine 1860-Schuld bis zum Ende der Saison gestundet - ob es sich um die verbliebenen 1,5 bis zwei Millionen Euro aus dem gewonnenen Cateringprozess handelt oder um die Abschlagszahlung der Arena-Miete des TSV für die Rückrunde, ist unklar. Unterm Strich dürfte 1860 bei den Bayern mit drei bis vier Millionen Euro in der Kreide stehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: