2. Liga:1860-Investor Ismaik grübelt über Löwen-Verkauf

Hasan Ismaik

Investor Hasan Ismaik spricht erstmals davon, seine Anteile am TSV 1860 München zu verkaufen.

(Foto: imago sportfotodienst)
  • Erstmals spricht 1860-Investor Hasan Ismaik einen möglichen Verkauf seiner Anteile an.
  • Dazu müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: ein Selbstläufer und eine ziemlich hohe Hürde.
  • Ein Angebot über 18 Millionen Euro habe er ausgeschlagen, sagt Ismaik.

Von Philipp Schneider, London

Der Blick ist herrlich. Ein Fenster zur Themse. "How are you", sagt Hasan Ismaik zur Begrüßung. Blauer Pullover, kräftiger Händedruck, ein Lächeln. Nach London hat der erste und möglicherweise letzte arabische Investor im deutschen Profifußball die Journalisten diesmal geladen, ins Corinthia. Und eigentlich müsste die Stimmung in "London's 21st Century Grand Hotel" richtig mies sein. Vor wenigen Minuten gab es ja einen Schlusspfiff in Freiburg. Und Ismaiks Klub, der Fußball-Zweitligist TSV 1860 München, der ohnehin schon auf dem vorletzten Tabellenplatz stand, hatte mal wieder verloren.

"0:3, habt ihr gesehen?", fragt Ismaik. Sein Bruder Abdelrahman betritt die zweistöckige, mit Spiegeln ausgekleidete Suite. In Geschäftsfragen ist er Ismaiks rechte Hand. Abdelrahman sagt: "Niederlagen überraschen uns nicht mehr. Eher das Gegenteil." Einige lachen. Galgenhumor. Die Stimmung ist ganz gut, liegt sicher auch daran, dass es heute um etwas geht, das noch größer ist als Siege oder Niederlagen. Es geht ums Geschäft.

Es ist der Tag, an dem der 39 Jahre alte jordanische Geschäftsmann, der vor vier Jahren 60 Prozent der Anteile (49 Prozent davon sind stimmberechtigt) an 1860 erwarb und insgesamt angeblich exakt 38,3 Millionen Euro in den Klub investierte, zum ersten Mal einen möglichen Verkauf anspricht. Er sagt: "Zwei Bedingungen müssen erfüllt sein, damit ich verkaufe. Die Fans müssen mehrheitlich sagen, dass ich gehen soll. Und ich muss die vollständige Summe, die ich investiert habe, wieder zurück erhalten."

Zwei interessante Bedingungen sind das. Nach Lage der Dinge: ein Selbstläufer und eine ziemlich hohe Hürde.

Ismaik hat sich vorbereitet auf das Gespräch, er orientiert sich an handschriftlichen Notizen und an einem Zettel, auf dem exakt aufgelistet ist, zu welchem Zeitpunkt er wie viel Geld nach München überwiesen hat: 18,4 Millionen flossen im September 2011 für die Anteile, danach gab es fünf weitere Abbuchungen. Der letzte Eintrag datiert vom 20. Mai 2014: noch mal neun Millionen Euro.

Das alles will er zurück? Obwohl er ja vor vier Jahren einen zwar nicht finanziell, aber doch sportlich gefestigten Zweitligisten übernommen hatte, der nun auf die dritte Liga zuschlittert? Ismaik überlegt, dann spricht er etwas leiser, wie als sei ihm der Verdacht, der nun folgt, unangenehm: "Ich habe mich schon gefragt: Ist der rasante sportliche Abstieg ein Druckmittel, damit ich verkaufe?" Am liebsten wolle er sich nämlich gar nicht von seinen Anteilen trennen. "Ich liebe den Verein so, wie ich mich selbst liebe. Daher fordere ich mich selbst heraus: Ich will mit 1860 München in der ersten Liga gegen den FC Bayern spielen und siegen. Das ist mein Lebenstraum."

Lebenstraum hin, Lebenstraum her. Manchmal sei er sehr deprimiert, das schon. Wenn er überlege, wie viel Geld er bereits investiert habe, denke er auch über einen Verkauf nach. "Aber dann schaue ich mir die DVDs an mit den Spielen, und dann möchte ich auf keinen Fall verkaufen." Es sei ja auch so: Würde man ihn endlich entscheiden lassen, bekäme er also die Gelegenheit, die Angestellten selbst auszusuchen, ganz alleine, dann wäre 1860 so erfolgreich wie Chelsea oder Manchester City, sagt Ismaik.

Leider verbiete das aber die 50+1-Regelung der Deutschen Fußball-Liga (DFL), die vorschreibt, dass Vereine gegenüber Investoren stets das letzte Wort haben. Und nahezu rasend macht ihn offenbar die Tatsache, dass diese Regel selbst für Vereine wie den TSV 1860 gilt, die sich nach jahrelanger Misswirtschaft und einer Reihe strategischer Fehlentscheidungen selbst in die chronische Pleite manövriert haben.

Wenn er bei einem seiner seltenen Besuche in die Münchner Arena gehe, wo Sechzig beim FC Bayern zur Untermiete spielt, fühle er sich "heimatlos und obdachlos, wie ein Gast in meiner Heimatstadt". Er "leide seit vier Jahren unter einem Partner, der keinen wirtschaftlichen Überblick hat".

Was will Ismaik?

Vor einer Woche erst, am Rande seines letzten Besuchs in München, habe er Wind bekommen von einer unglaublichen Geschichte, die sich mal wieder auf der Geschäftsstelle zugetragen habe: Demnach hatte eine Führungskraft eine Powerpoint-Präsentation in Auftrag gegeben mit dem anspruchsvollen Titel: Entschlüsseln der Identität von 1860. "50 000 Euro hat er dafür ausgegeben! Dabei hätte diese Präsentation jeder von uns erstellen können!" Daher sei nun höchste Zeit, dass die DFL 50+1 aufhebt, findet Ismaik: "Am Ende gehe es auch um den Ruf der ganzen Liga."

Spätestens zu diesem Zeitpunkt macht sich Ratlosigkeit breit im Spiegelsaal. Was will dieser Mann wirklich? Will er verkaufen? Will er investieren? Oder will er erst investieren, wenn nahezu paradiesische Investorenbedingungen bestehen in Fußballdeutschland?

Die Situation wird auch nicht übersichtlicher, als Ismaik ankündigt, in diesem Winter doch noch Geld in den Kader stecken zu wollen, um den Abstieg abzuwenden. Sein Cousin Noor Basha, der im Sommer vor allem deshalb zum zweiten Geschäftsführer bei 1860 ernannt wurde, weil die Vereinsvertreter ihren Investor milde stimmen wollten, habe ihn vor zwei Tagen um 600 000 Euro gebeten. Ismaik schlägt die Hände zusammen und ruft, er habe Basha gesagt: Nimm nicht 600 000, machen wir eine Million!

Irgendwann erzählt Ismaik die Geschichte, wie er ursprünglich einen Verein in England kaufen wollte. Dass er sich für 1860 entschied, sei nur dem Münchner Investmentbanker Hamada Iraki zu verdanken. Der habe ihm während eines Spiels des FC Bayern von 1860 erzählt und gemeint, ein Investment beim Arbeiterverein aus Giesing könne zur Erfolgsgeschichte werden. Und dann, nach vier Stunden Plauderei, benennt Ismaik ein konkretes Angebot, das ihm vorgelegt worden sei. 18 Millionen Euro habe eine Familie geboten, deren Namen er nicht nennen wolle. "Ich sage nur, dass sie einen großen Namen hat, in München wohnt und eine Autofabrik hat."

Außerdem sei die Familie befreundet mit einem Mitglied des ehemaligen Übergangspräsidiums von 1860. Dies alles träfe auf die Familie Porsche zu, die zuletzt auch beim traditionellen Oktoberfestbesuch des Klubs geladen war. Ismaik schlug das Angebot aus. "Ich habe gesagt: Die Löwen sind nicht zu verkaufen. Und schon gar nicht zu diesem Preis." Bereits im Sommer habe die Familie eine Offerte über einen Mittelsmann unterbreitet. Damals habe sie zwei Millionen Euro für die Anteile geboten, fünf weitere Millionen im Aufstiegsfall - und noch mal fünf Millionen, sollte 1860 in die Champions League einziehen.

Aber dahin will Ismaik ja selbst. Die Champions League gehört zu seinem Lebenstraum. "Wir haben keinen einzigen Spieler, der fünf Millionen wert ist", sagt er. "Was ist das für ein Verein, in den ich 40 Millionen Euro gesteckt habe und nun ist kein Cent mehr da?"

Kein Cent mehr da. Doch offenbar genug, um 18 Millionen Euro abzulehnen.

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