2. Fußball-Bundesliga:Ein Original namens Streich

SC Paderborn 07 v SC Freiburg - German Bundesliga

Wieder zurück in der Budnesliga: Freiburgs Trainer Christian Streich

(Foto: Ralph Orlowski/Reuters)

Die Fußballfreunde dürfen sich nach dem Erstligaaufstieg des SC Freiburg auf einen Trainer freuen, der sich in seiner Schrulligkeit wohltuend abhebt von den meisten seiner Kollegen.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Als der 1. FC Nürnberg am vergangenen Sonntag gegen Union Berlin 6:2 gewann, war Christian Streich im Wald. Das ist insofern bemerkenswert, als sein SC Freiburg sicher aufgestiegen wäre, wenn es im Fränkischen beim Pausenstand von 0:2 geblieben wäre. Schon tags zuvor, nach dem souveränen 3:0-Sieg gegen Duisburg hatte Freiburgs Trainer eine Fahrt ins Grüne angekündigt. "Ich setze mich aufs Fahrrad. Und wenn ich nach Hause komme, sagt meine Lebensgefährtin mir, wie Nürnberg gespielt hat." Den Hinweis, eine TV-Abstinenz bringe nicht viel, weil er zu diesem Zeitpunkt schon dutzende SMS bekommen haben könnte, konterte er überzeugend: "Ich habe das Handy aus. Das nehme ich nur für Notfälle mit, wenn ich auf den Ranzen falle und im Wald liege."

Dass Freiburgs Trainer von Sommer an wieder in der gleichen Liga arbeiten wird wie Thomas Tuchel und Dieter Hecking, steht nun seit Freitagabend, seit dem 2:1 der Freiburg in Paderborn fest. Viele Fußballfreunde dürfte das freuen, auch wenn einige von ihnen aus dem unberechenbaren Gefühlsmenschen nicht schlau werden. Wenn ihn ein Spiel oder eine zwischenmenschliche Begegnung aufwühlt, sind seine Aussagen unmittelbar nach dem Spiel ja auch tatsächlich manchmal befremdlich.

Streich empfindet Medien nicht mehr nur als Bedrohung

Andere mögen ihn gerade wegen seiner Impulsivität. Dass er einer der wenigen Typen der Branche ist, würde aber wohl niemand bestreiten. Sein Image als jemand, der weiter denkt als bis zur Torlinie, hat er zuletzt noch geschärft. Dabei fremdelt Streich nach wie vor, wenn ihm ein Reporter, den er nicht seit Jahrzehnten kennt, ein Mikrofon vor die Lippen hält.

Doch der 50-Jährige hat mittlerweile gelernt, Medien nicht nur als Bedrohung zu empfinden, sondern auch als Chance, Inhalte zu transportieren, die ihm wichtiger sind als die Reflexe einer Branche, die er mit Skepsis beobachtet. Als Wolfsburgs Max Kruse zwischen die Shit-Stürme geriet, weil er erst 70 000 Euro im Taxi vergaß und dann seltsame Bilder von ihm kursierten, sprang er ihm bei. Es sei "total schwierig damit umzugehen", dass man jederzeit öffentliche Person sei und es Medien gebe, die für intimste Aufnahmen tatsächlich Geld bezahlten.

Bei RB Leipzig wäre einer wie Streich unvorstellbar

Dabei dürfte auch Streich finden, dass man sich im Privatbereich auch intelligenter anstellen kann als Kruse. Das dicke Auto, das der Stürmer schon zu seiner Freiburger Zeit fuhr, hätte auf dem Trainingsgelände des SC jedenfalls auch dann wie ein Fremdkörper gewirkt, wenn Streich nicht fast täglich mit dem Fahrrad zum Training kommen würde. Doch solche Stil- und Habitusfragen sind nicht der Grund, warum man sich den studierten Pädagogen nur schwer als Trainer von, sagen wir einmal, RB Leipzig vorstellen könnte.

Im Februar sagte er der Basler Tageswoche, er fände es wünschenswert, dass es auch künftig "möglichst viele Vereine gibt, die nicht einem großen Konsortium oder einer Person gehören. Aber die Entwicklung ist nicht aufzuhalten." Er selbst wolle in einer solchen Liga dann nicht mehr unbedingt arbeiten, schob er nach.

Auch sein kaum verklausulierter Aufruf vor den baden-württembergischen Landtagswahlen, die AfD kleinzuhalten, brachte ihm bundesweit Sympathien. Es gehe darum, "gegen diese unsägliche fremdenfeindliche- und gästefeindliche Politik einiger Parteien Stimmen zu sammeln." Auch das hat Streich im Rahmen einer Spieltags-Pressekonferenz gesagt. Ganz bewusst und wohlwissend, dass es daran auch Kritik geben würde - ein Vereinsmitarbeiter hatte jedenfalls jede Menge damit zu tun, zum Teil übel-rassistische Posts auf der SC-Facebookseite zu löschen.

Streich gönnt sich nur wenige Stunden der Abwechslung

Dass Streich nicht in Echtzeit mitbekommen will, ob sein Verein denn nun den Aufstieg geschafft hat, kann man ihm dann auch unbedingt glauben. Die wenigen Stunden, die er in der Woche nicht mit Gedanken an den SC verschwendet, braucht er wie die Gespräche mit den vielen Vertrauten, die er beim Verein und in der Stadt hat, und die zum Teil wie er aus dem Alemannischen kommen. Der Dialekt, den Streich mit ihnen spricht, bewegt sich im Übrigen dann in Dimensionen, die all die verwundern dürften, die der Meinung sind, der Mann rede auch schon vor öffentlich-rechtlichen Kameras unverständlich.

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