1:0 für den 1.FC Köln:Die französische Fußangel

1. FC Köln - VfL Wolfsburg

Nicht nur beim Foul durch Wolfsburgs Torwart Diego Benaglio, dem der Siegtreffer folgte, war Anthony Modeste der Mittelpunkt des Kölner Spiels.

(Foto: Marius Becker/dpa)

Der außergewöhnliche FC-Stürmer Anthony Modeste sorgt für die Höhepunkte beim Sieg gegen den VfL Wolfsburg. Danach wird in Köln über Europapokal-Prämien gesprochen.

Von Milan Pavlovic, Köln

Es gibt in dem an Geräuschen wirklich reichen Kölner Fußball-Stadion inzwischen ein unverkennbares Geräusch. Es ist das Geräusch, wenn Anthony Modeste sich um den Ball bemüht: ein Raunen der Erwartung, das durch die ungewöhnlichen Bewegungen und Ideen des Franzosen ausgelöst wird. So oft schon hat der 28-Jährige diese Erwartungen erfüllt, und auch am Samstag war es wieder so, als er in der zähen, umkämpften Partie gegen Wolfsburger Torwart Diego Benaglio in der 80. Minute einen Elfmeter herausholte und diesen in der 81. Minute zum 1:0-Siegtreffer verwandelte, indem er den Schweizer in die falsche Ecke schickte.

Eine kleine Pointe bestand darin, dass der Schütze vor dem Foul und dem 15. Saison-Tor, ein paar Zentimeter im Abseits gestanden hatte, was Wolfsburgs Trainer Valérien Ismaël "ärgerlich und bezeichnend" fand: "Wenn man unten in der Tabelle steht, passiert genau das." Die größere Pointe war aber die, dass noch am vergangenen Wochenende kaum jemand damit gerechnet hatte, dass Modeste gegen Wolfsburg überhaupt auflaufen dürfte: Beim 6:1-Erfolg der Kölner in Darmstadt hatte der Stürmer seinen Arm in einem Zweikampf auf eine Art ausgefahren, die eine Tätlichkeit gegen Aytac Sulu vermuten ließ: Es sah nach einem dieser Fälle fürs DFB-Sportgericht aus, die meistens in wochenlange Sperren münden. Doch dann wurde das Verfahren überraschend fallen gelassen, weil Schiedsrichter Robert Kampka die betreffende Szene hätte sehen können. Der Kölner Stadt-Anzeiger brachte dafür das schöne Wort "Unaufmerksamkeitsblindheit" in Erinnerung. Sie war es, die Modeste befreite. Und ihm das Spiel gegen Wolfsburg ermöglichte.

In der Kölner Kabine herrschte überbordende Stimmung. Dieses 1:0 habe das Team "noch mehr bewegt als das 6:1", fasste FC-Coach Peter Stöger die Situation zusammen. "Wir wären auch mit einem 0:0 nicht unzufrieden gewesen, aber das macht es noch schöner."

Wolfsburg ist dem Führungstor näher

Der Nachmittag hatte aus Kölner Sicht vielversprechend begonnen: Der derzeit verletzte Marcel Risse wurde für sein Tor des Jahres ausgezeichnet (die Freistoßfackel zum 2:1-Sieg im November gegen Mönchengladbach); und die Klub-Ikone Wolfgang Overath, der als Präsident weniger Fortune offenbarte denn als Spieler, hatte nach Jahren ausgesprochener Muzigkeit endlich wieder den Weg ins Stadion gefunden. Doch mit dem Anpfiff war es mit der Herrlichkeit erst einmal vorbei. Rechtzeitig zum Spielbeginn hatte sich das freundliche Klima in fiesestes Usselwetter verwandelt.

Die Kölner, das muss man ihnen lassen, ließen sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie suchten geduldig nach den Lücken im Gästeverbund. Am liebsten mit steilen diagonalen Spielverlagerungen, wobei sie mindestens so gerne ihren Mittelstürmer Modeste dazu animierten, seine Kung-Fu-Fußangel auszuwerfen, wenn er artistisch den Ball aus der Luft holt, wo andere Profis selbst mit einem Sprungkopfball nicht hin kommen. Ein Raunen war ihm sicher.

Allerdings beraubte der Franzose so seine Mannschaft ihrer besten Chance vor der Pause, als Bittencourt bei einem Flügellauf über links den freien Christian Clemens erspähte und eine punktgenaue Flanke schlug - die sich dann allerdings der schlechter postierte Modeste umständlich zu schnappen versuchte, obwohl er auch noch im Abseits stand. Das Publikum raunte.

Wolfsburg spielte dem Tabellenplatz 14 entsprechend vorsichtig, geradezu pedantisch um Ordnung bemüht. Nichts war davon zu erkennen, dass die Werkself gegen einen ihrer Bundesliga-Lieblingsgegner antreten durfte (mit elf Siegen bei nur drei Niederlagen). Zuletzt hatte es neun Duelle ohne Wolfsburger Niederlagen gegeben - und als der VfL zuletzt in Köln verlor, 0:3 im April 2006, spielte noch ein gewisser Lukas Podolski im FC-Dress.

Kölns Stürmer fällt, trifft und schweigt

Nach der Pause gab es endlich ein paar Torchancen zu notieren: Kölns fleißiger Außenverteidiger Rausch setzte einen Eckball auf die Latte (47.); der Wolfsburger Seguin schoss über das FC-Tor (49.); Modeste verzog haarscharf (54.). Doch die Gäste waren nun näher dran, "das war eine klare Steigerung gegenüber der Vorwoche", fand nicht nur Valérien Ismaël. Der Regen wurde stärker, Wolfsburg auch. Maximilian Arnold zwang FC-Keeper Kessler mit einer Direktabnahme aus 18 Metern zu einer Glanzparade (74.), Olkowski wehrte einen weiteren Arnold-Schuss mit einer Po-Backe ab (76.).

Just in dieser VfL-Druckphase kam der letzte Auftritt von Anthony Modeste. Er setzte nach einem abgefälschten Schuss nach. Wurde berührt. Fiel hin. Traf. Und schwieg. Während das Publikum sang und jubelte, verschwand er durch die Hintertür. Also musste Peter Stöger über die Kölner Träume vom Europacup reden. Ob er eine Teilnahme-Prämie habe, wurde der Österreicher gefragt. "Habe ich eine?", fragte er Jörg Schmadtke, der hinten im Raum an der Wand lehnte. "Ja", erwiderte der Geschäftsführer. "Hab' ich", sagte Stöger und schmunzelte.

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