3:0 für den BVB:Trio macht Dembélé schnell vergessen

VfL Wolfsburg - Borussia Dortmund

Kollektiver Jubel: BVB start mit überzeugendem Sieg in Wolfsburg in die Saison.

(Foto: dpa)

Von Carsten Scheele, Wolfsburg

Als sich der erste Dortmunder Jubel über den formidablen Saisonstart gelegt hatte, drehte sich doch wieder alles um Ousmane Dembélé. Und Nuri Sahin wurde ernst, als er auf seinen suspendierten Mitspieler zu sprechen kam. Noch immer ist dessen Wunschwechsel zum FC Barcelona nicht perfekt, und bei aller Kritik, die Dembélés forsches Verhalten in den vergangenen Tagen nach sich gezogen hat, wollte Sahin ihn diesmal in Schutz nehmen. "Er ist gerade 20 und macht nicht alles richtig", entschuldigte er seinen jungen Kollegen. Doch wenn er sich aussuchen könne, wie es in Dortmund weitergeht, ist sich Sahin sicher: "Am liebsten mit Ous." Die Tür sei in der Mannschaft keinesfalls zu.

Das waren überraschende Worte. Sahin hätte sie sich vielleicht verkniffen, wäre der Saisonauftakt nach all den Wochen des Wechsel-Theaters daneben gegangen. Ging er aber nicht, im Gegenteil: Dortmund überzeugte, schlug den VfL Wolfsburg im ersten Bundesligaspiel unter dem neuen Trainer Peter Bosz auswärts 3:0 (2:0) und ist damit vorerst Tabellenführer vor dem FC Bayern. Es habe auf dem Platz "sehr, sehr viel Spaß gemacht", sagte Sahin. Er habe eine sehr dominante Mannschaft gesehen, und das war der BVB.

Es wirkte sogar, als hätte Dortmund zeigen wollen, dass die Mannschaft auch in unruhigen Zeiten funktioniert und vor einer guten Saison steht, sogar ohne Dembélé, sollte dieser den Klub verlassen. In Wolfsburg genügte eine halbe Stunde, um Zweifel an der eigenen Verfassung zu zerstreuen. Nur anfangs hatte Wolfsburg die Partie im Griff, weil Dortmund abwartete, was der Gegner anstellte; einmal köpfte VfL-Außenverteidiger Yannick Gerhardt den Ball nach einer Ecke freistehend meterweit über das Tor (13.). Dann hatten die Dortmunder genug gesehen. Als sie beschleunigten, zerfiel Wolfsburg von einer auf die nächste Sekunde.

Ohne Dembélé wirbeln beim BVB Aubameyang, Götze und Pulisic

15 Minuten zugucken, dann losspurten - es wirkte, als hätten sich die BVB-Profis genau dies vorgenommen. Plötzlich brachten alle Offensivkräfte einige Stundenkilometer mehr auf den Tacho, Chefflitzer Pierre-Emerick Aubameyang wurde flankiert vom genesenen Mario Götze, dem neu aus Freiburg geholten Maximilian Philipp und Christian Pulisic. Der extrem quirlige US-Amerikaner, der in der Zentrale versetzt hinter Aubameyang agierte, ließ sich von Götze den Ball geben, hielt zwei Wolfsburger Verteidiger auf Distanz und schoss aus 15 Metern trocken halbhoch ein (21.). Als kurz darauf Gonzalo Castro den aufgerückten Marc Bartra bediente und dieser den Ball aus spitzem Winkel unter die Latte schlenzte (27.), stand es schon 2:0, ohne dass Vorjahres-Schützenkönig Aubameyang an einem Treffer direkt beteiligt gewesen wäre.

Watzke sendet Botschaft an den FC Barcelona

Die Gefahr eines Fehlstarts war aus Dortmunder Sicht damit früh gebannt; dass der BVB den Spieltag sogar als Tabellenführer abschloss, lag in der zweiten Halbzeit abermals an Pulisic. Nach einer Stunde ließ der Mittelfeldspieler den jungen Felix Uduokhai ins Leere rutschen. Statt draufzuhalten, wählte Pulisic die flache Hereingabe an den langen Pfosten, wo Aubameyang gut getimt heranrutschte und den Ball über die Linie drückte (60.). Nun hatte auch Aubameyang sein Tor, doch das Sonderlob erhielt Pulisic. "Er ist ein Spieler, den man nicht so oft sieht", sagte Trainer Bosz, und tatsächlich wirkte es, als hätte Pulisic in seiner dritten Dortmunder Saison endgültig seine Zurückhaltung abgelegt.

Er harmonierte prächtig mit Götze und Aubameyang. Wer die drei wirbeln sah, der kam tatsächlich auf die Idee, dass die Mannschaft einen Weggang von Dembélé würde verkraften können. Trotzdem erinnerte Bosz, Dembélé sei ein "exzeptioneller Spieler", also ein Ausnahmespieler, "jemand den die man nicht oft sieht, der Qualitäten besitzt, die nicht jeder hat". So ein "exzeptioneller Spieler" ist laut Bosz aber auch Götze.

Die Dortmunder Stärke lag auch an der Wolfsburger Schwäche

Dass die Dortmunder so stark aufspielten, das lag am Samstag aber auch an schwachen Wolfsburgern, die dort weitermachten, wo sie in der völlig missratenen Vorsaison (die erst mit dem knappen Sieg in der Relegation über Braunschweig endete) aufgehört hatten. Von einem Neustart war wenig zu sehen, "wir hatten nichts entgegenzusetzen und keine Chance", analysierte Daniel Didavi schonungslos. Zu schwer wog der Ausfall der kompletten Innenverteidigung aus Anthony Brooks (Sehnenanriss) und Jeffrey Bruma (im Aufbautraining). Die einzige gelungene Offensivaktion, ein scheinbarer Treffer von Mario Gomez (69.), wurde wegen Abseitsposition aberkannt. Trainer Andries Jonker wollte nichts beschönigen: "Du siehst nach zehn Minuten, dass Dortmund heute besser ist." Die Niederlage hätte noch höher ausfallen können, Aubameyang konnte einen langen Ball nicht mehr rechtzeitig vor VfL-Torwart Koen Casteels aus der Luft stoppen (89.). Doch der französisch-gabunische Stürmer lachte, auch er hatte Spaß an diesem Nachmittag.

Einen zufriedenen Eindruck machte auch Hans-Joachim Watzke, der Dortmunder Geschäftsführer, der sich im Falle einer Niederlage sicher Fragen hätte anhören müssen, ob er mit der Eskalation im Fall Dembélé die eigene Mannschaft nicht verunsichert hätte. "Das sah nicht nach Anpassungsproblemen aus", konstatierte Watzke nach dem 3:0 genüsslich. Ebenso genüsslich stellte er die Gelassenheit des BVB in Sachen Barcelona zur Schau. Seine "Freunde aus Katalonien" sollten sich einfach überlegen, ob sie den Ablösewunsch des BVB für Dembélé, der bei 140 bis 150 Millionen Euro liegen dürften, zu erfüllen gedenken. "Entweder sie wollen oder sie sollen es sein lassen", erklärte Watzke. Die Botschaft: Der BVB käme mit beiden Szenarien gut zurecht.

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