1. FC Nürnberg: Roth tritt zurück:Das Ende des Patriarchats

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Michael A. Roth, 73, tritt als Präsident des Bundesliga-Aufsteigers 1. FC Nürnberg zurück und gibt den Weg zur Modernisierung des Klubs frei.

Markus Schäflein

Vor einem halben Jahr deutete sich beim 1. FC Nürnberg an, was kommen würde. "Das ist nicht mehr mein Verein", klagte Präsident Michael A. Roth, 73, im vergangenen November. Aus seiner Sicht wurde er von den hauptamtlichen Vizepräsidenten - Sportdirektor Martin Bader und Finanzchef Ralf Woy - viel zu selten ins Tagesgeschäft einbezogen. "Ich will, dass Bader und Woy ihre Pflichten nicht weiter vernachlässigen und mich häufiger in Kenntnis setzen", sagte der nur 1,63 Meter große Unternehmer, der mit dem Handel von Teppichen zu Millionen gekommen war, "der Bader will ja alles alleine machen".

Michael A. Roth bei einem seiner größten Erfolge: dem DFB-Pokal-Sieg 2007. (Foto: Foto: ddp)

Die Vizepräsidenten rechneten selbst schon mit ihrer Demission. Aber die Aufsichtsräte schlugen sich auf ihre Seite. "Auf breiter Basis ist ein Konsens entstanden", sagte Bader, was nicht weniger bedeutete als eine Götterdämmerung: Die Aufsichtsräte hatten die faktische Entmachtung Roths gutgeheißen und vorangetrieben.

Nun hat Roth Abschied genommen von seinem Verein, der nicht mehr seiner war. Am Dienstag lud der 1. FC Nürnberg zu einer Pressekonferenz, auf der Roth seinen letzten Auftritt als Präsident hinlegte. Bis 2010 war er gewählt, nun trat er zurück. "Mit dem Aufstieg habe ich das mir selbst vorgegebene Ziel erreicht", sagte er, das klang noch ganz nach Michael A. Roth. Dann fügte er zugleich die Perspektive des Klubs und die Begründung für seinen Abschied an: "Nun ist der Zeitpunkt gekommen, wo der Verein umstrukturiert werden soll."

Eine Satzungsänderung ist geplant, um den Traditionsklub zu modernisieren. Auf der Mitgliederversammlung im Oktober soll sie verabschiedet werden, dann wird auch der neue Präsident gewählt. Bis dahin übernimmt Vizepräsident Franz Schäfer Roths Amt kommissarisch. Zeitgleich zu Roths Rücktritt teilte Sportdirektor Bader mit, dass er seinen Vertrag bis 2012 verlängert hat. Hannover 96 hatte ihm zuletzt einen lukrativen Drei-Jahres-Kontrakt angeboten.

Roth machte zum Abschied kein Hehl daraus, dass ihn die Ereignisse im November schwer getroffen hatten. "Da hat man mir die Leviten gelesen", sagte er. Er war es gewohnt gewesen, die Macht zu haben, ob im Teppich- oder Fußballbusiness. Ein Unternehmer vom alten Schlag ist er, und plötzlich kamen da Leute wie Bader, die moderne Strukturen auch am Valznerweihner einführen wollten und sich dabei so sozialkompatibel und erfolgreich präsentierten, dass Roth gar nicht anders konnte, als sie zu loben. Und er schätzte Baders Arbeit und seinen Charakter wirklich. Wenn schon einer diesen ganzen modernen Kram bei seinem Club einführen musste, fand er, dann sollte es ruhig Bader sein.

Roth hatte ja selbst erkannt, was die Stunde geschlagen hatte. Längst sei das Patriarchentum am Aussterben, die Alleinherrschaft, "wo einer nur den Daumen rauf- oder runterstellen muss, um zu entscheiden", erkannte Roth schon vor zwei Jahren in der Traumsaison mit Trainer Hans Meyer. "Kein Verein der Bundesliga ist mehr von einer einzelnen Person abhängig, das sind alles kleinere oder größere Unternehmen, die von Top-Fachleuten im Management, der Geschäftsführung, im Ticketing, Marketing und Merchandising leben", sagte Roth.

Es sei ihm schwer gefallen, sich zurückzunehmen, "zugegeben, ja", das schon. Aber eine Chance gegen die Vizepräsidenten und den Aufsichtsrat hatte Roth ohnehin kaum gehabt, und er wollte in Franken ja auch nicht als starrsinniger alter Verhinderer in Erinnerung bleiben. Lieber als jener Retter des Vereins, der er auch war: Jeder in Nürnberg weiß, dass der Club in der neunziger Jahren ohne Roth wohl Insolvenz hätte anmelden müssen. 30 Millionen Mark betrug der Schuldenstand des 1. FC Nürnberg bei Beginn seiner zweiten Amtszeit 1994, damals war der Kampf um die Lizenz Jahr für Jahr ein hartes Stück Arbeit.

Spitzname: der "Trainer-Killer"

Roth fand Verhältnisse vor, "wie ich sie meinem ärgsten Feind nicht gönne". Aufsichtsratsvorsitzender Klaus Schramm sprach zum Abschied entsprechend warme Worte: "Herr Roth hat den Verein nicht nur einmal am Leben erhalten. Da kann man nur sagen: Danke und nochmals danke für das, was Sie geleistet haben." Auch Oberbürgermeister Ulrich Maly meldete sich zu Wort: "Der 1. FCN hat Roth sehr viel zu verdanken", schrieb Maly, "heute verlässt er als Präsident den Verein in soliden Verhältnissen."

Roths Verdienste sind unbestritten, sein Führungsstil hingegen sorgte immer wieder für Diskussionen. Viele empfanden ihn als autoritär und seine Wortwahl als derb. In seiner ersten Amtszeit von 1979 bis 1983 erhielt er von den Boulevardzeitungen den Namen "Trainer-Killer", weil er in vier Jahren neun Übungsleiter entließ. "Wenn man keine große Auswahl hat, kommt es eben öfters vor, dass man daneben greift", rechtfertigte er sich. 2003 sorgte er nach einem 1:2 gegen Lübeck noch einmal für Aufregung, als er verkündete: "Ich habe eine Pistole samt Waffenschein und würde einigen am liebsten das Hirn durchpusten."

Deutliche Worte richtete Roth auch an seine möglichen Nachfolger. "Ich weiß, dass es wahnsinnig schwer ist, den 1. FC Nürnberg zu führen", sagte er. "Es haben sich schon so viele vor mir eine blutige Nase geholt. Ich hoffe, dass diese Zeit vorbei ist." Roth soll nun zum Ehrenpräsidenten ernannt werden. Zum Ehrenpräsidenten des Vereins, der einmal seiner war.

© SZ vom 10.06.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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