1. FC Nürnberg:Abend der Erkenntnisse

*** BESTPIX *** 1. FC Nuernberg v FC Schalke 04 - DFB Cup

"Gegen Schalke so zurückzukommen, das schafft auch nicht jeder", sagte Torschütze Tobias Kempe (vorne, im Zweikampf mit Benedikt Höwedes).

(Foto: Simon Hofmann/Getty Images)

Beim 2:3 (0:3) gegen Schalke erinnert sich der 1. FC Nürnberg eine Hälfte lang nicht an seine Stärken. Trainer Alois Schwartz hofft nun, dass das Pokal-Aus das Langzeitgedächtnis seiner Spieler verbessert.

Von Markus Schäflein

Auf einem großen Plakat stand zu lesen: "1. FC Nürnberg, eingetragener Verein seit 1900." Das war keine überraschende Aussage, aber ein Statement der Ultras zu der Frage, ob der Club seinen Profibetrieb in eine Kapitalgesellschaft ausgliedern soll. Und die befreundeten Anhänger des FC Schalke 04 wiesen per Transparent darauf hin, dass auch sie einen "eingetragenen Verein" unterstützen. Einigen Clubfans gilt das Schalker Modell als Vorbild, Nürnbergs Aufsichtsrat mit dem in dieser Woche wiedergewählten Vorsitzenden Thomas Grethlein und Finanzvorstand Michael Meeske planen hingegen eine Rechtsformänderung beim finanziell angeschlagenen 1. FCN.

Fast hätte Meeske an jenem Mittwochabend 630 000 unverhoffte Euro eingenommen. Zur Pause stand es 0:3, und dass der Zweitligist Nürnberg in seiner Pokalpartie gegen den Erstligisten Schalke nicht schon 0:5 oder 0:6 in Rückstand lag, verdankte er einzig seinem Torhüter Thorsten Kirschbaum. Am Ende ging das Spiel dann aber 2:3 aus, und der Club konnte behaupten, eine Pokalsensation knapp verpasst zu haben. Wieder einmal und dringend wie selten stellte sich also die Frage, was in der 15 Minuten langen Unterbrechung, die das Regelwerk vorsieht, mit den Teilnehmern dieses Fußballspiels passiert war. "Ich habe in der Halbzeit gesagt: Das sind wir nicht", erläuterte Nürnbergs Trainer Alois Schwartz, "das ist nicht unser Gesicht." Seine Mannschaft wollte also ihr Gesicht wiederfinden.

"Wenn ein Gegner dieser Qualität merkt, dass es hier nicht weh tut, dann spielt er Fußball."

Noch wichtiger für den Verlauf war allerdings, was Nürnbergs Mittelfeldspieler Tobias Kempe feststellte: "Es sah so aus, als ob die Schalker mit der Einstellung aus der Kabine kamen: Es steht 3:0, da kann nicht mehr viel passieren." Es passierte aber noch einiges, erst ein Eigentor von Baba nach Schuss von Kempe (59.), dann ein Foul von Junior Caicara an Hanno Behrens und ein Elfmetertreffer von Kempe (69.). "Es war noch mal ein kleiner Pokalfight", freute sich Trainer Schwartz, "es war richtig gute Stimmung im Stadion, das hat auch dazu beigetragen, dass es noch mal etwas spannend wurde."

Kleiner Fight, etwas spannend - Schwartz wählte mit Recht einschränkende Worte, denn bis auf eine Chance des eingewechselten Edgar Salli (75.) passierte nach dem Anschlusstreffer trotz der mitreißenden Atmosphäre bei genauerem Hinsehen nicht mehr viel. Schalkes Manager Christian Heidel sprach von einem "perfekten Spiel", meinte dies aber bezogen auf den mutmaßlichen Erkenntnisgewinn seiner Spieler: "Gibt es denn einen besseren Lernprozess, wenn wir sogar noch gewonnen haben? Wir haben gemerkt, was wir können, aber auch, was wir nicht machen dürfen." Die Nürnberger hingegen hatten sich die Frage zu stellen, ob sie nun zufrieden waren, doch noch eine annehmbare Leistung hinbekommen zu haben, oder ob sie sich grämen sollten über ihre Vorstellung in der ersten Hälfte. Torwart Kirschbaum fand: "Es überwiegt der Ärger."

Denn die Treffer von Jewhen Konopljanka und Klaas Jan Huntelaar in der ersten Hälfte hatten die Partie eben doch schon entschieden. "Wir waren in der ersten Halbzeit viel zu passiv, haben nur Begleitschutz gegeben", wunderte sich Schwartz, dass seine Mannschaft die zuletzt bei vier Zweitliga-Siegen nacheinander gezeigten Qualitäten in Sachen Kompaktheit diesmal überhaupt nicht unter Beweis gestellt hatte. "Schalke hat wirklich unheimlich schnelle Spieler, aber ich hätte mir da gewünscht, dass wir den Spielfluss mehr unterbinden", meinte Schwartz. "Der ist ja immer nur gelaufen, der Ball. Es ist doch klar: Wenn ein Gegner mit dieser Qualität merkt, dass es hier nicht weh tut, dann spielt er Fußball. In der zweiten Halbzeit haben wir uns dann wieder an die Dinge erinnert, die uns stark machen."

Er hofft nun, dass das Gedächtnis seiner Spieler ein paar Tage hält. Das nächste Zweitligaspiel findet erst am Montagabend statt, dann treten die Nürnberger beim Tabellenletzten FC St. Pauli an und wollen ihre Erfolgsserie in der Liga ausbauen. "Gott sei Dank haben wir dadurch ein bisschen mehr Zeit", sagte Schwartz. Bei einem weiteren Sieg könnte der mit zwei Punkten aus sechs Spielen so schwach in die Saison gestartete Club nämlich tatsächlich den Anschluss an die Spitzenplätze herstellen. Erst nebenhergelaufen, dann aufgeholt: Die Saison verlief bislang ähnlich wie das Pokalspiel gegen Schalke.

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