1. FC Köln:Zwei Neue aus dem alten Jahr

Die Japaner Nagasawa und Osako überzeugen plötzlich beim Aufsteiger - nach längerer Eingewöhnung.

Von Philipp Selldorf, Köln

Matthias Lehmann ist zwar erst 31 Jahre alt und damit weit entfernt vom Alter des Durchschnittsdeutschen (gegenwärtig bei 46 Jahren). Beim 1. FC Köln aber verbreitet er die typische Aura des alten Fußballers, von dem man nicht weiß, ob er schon zu Lebzeiten von Paul Breitner gespielt hat oder erst in der frühen Ära Effenberg eingestiegen ist. Im Kölner Mittelfeld ist Lehmann die Respektsperson, im Kölner Ältestenrat die führende Autorität, und Kapitän ist er sowieso, seit der Amts- inhaber Miso Brecko auf der Bank sitzt. Wenn also Lehmann eine allgemeine Feststellung trifft, wie jetzt nach dem für die Kölner hochgradig wichtigen 3:2-Sieg gegen die TSG Hoffenheim, hat dieses Urteil tatsächlich rechtskräftige Bedeutung. Am Sonntag stellte Lehmann mehrfach fest: "Man kann die zwei schon speziell loben, doch, das kann man schon machen."

Beim 1. FC Köln unter der Aufsicht von Peter Stöger gilt der gleiche Grundsatz wie bei Mannschaften, die Huub Stevens trainiert: Über allem steht die Gemeinschaftsarbeit, oder wie es Huub Stevens sagen würde: "Sie tun es zusammen." Einzelne werden zwar in ihrer Individualität gewürdigt, gelegentlich sogar gelobt, aber nur in Bezug auf ihre Wirkung fürs Kollektiv. Es war daher eine beachtenswerte Geste, als Lehmann den Mitspielern Kazuki Nagasawa und Yuya Osako "großen Anteil am Sieg" zuerkannte.

1. FC Koeln v 1899 Hoffenheim - Bundesliga

"Großer Anteil am Sieg": Yuya Osako.

(Foto: Dennis Grombkowski/Getty Images)

Weder Nagasawa, 23, noch Osako, 24, haben ein Tor geschossen gegen Hoffenheim, aber sie haben zwei der drei Treffer in die Wege geleitet, und vor allem haben sie als offensives Duett den Eindruck hinterlassen, dass der 1. FC Köln im letzten Saisonsechstel zwei Verstärkungen eingeführt hätte, die dem bisher überschaubar raffinierten Spiel die nötige schöpferische Note geben können. Beide waren zwar auch im vorigen Sommer schon in Köln sesshaft, ihre Eingliederung in den Erst- ligabetrieb gestaltete sich jedoch aus unterschiedlichen Gründen ziemlich zäh.

Nagasawa, die Verheißung des Aufstiegsjahres, wurde von einer Verletzung zurückgeworfen, Osako - im Vorjahr als Torjäger bei 1860 München aufgefallen - offenbarte große Anpassungsprobleme. Trainer Stöger übte sich in Geduld mit seinen sensiblen, bescheidenen Schülern, leicht ist ihm das nicht immer gefallen. Es war offensichtlich, dass die Gaben der beiden Japaner sehr hilfreich sein könnten, die (gewohnt sorglosen) Hoffenheimer bekamen es am Sonntag zu spüren. Lang genug hatte Stöger das Frühjahrserwachen des japanischen Duos angekündigt, und nun erfüllte er selbst seine Prophezeiung, indem er zum ersten Mal sowohl den Angreifer Osako als auch den Mittelfelddirigenten Nagasawa in die Startelf aufnahm. Nagasawa sei "durch seine Kreativität in der Lage, ein ganz wichtiger Spieler beim 1. FC Köln zu werden", findet der Trainer. Bis es so weit ist, wird es noch etwas dauern. "Heute kann er stolz auf sich sein", sagte Stöger, "aber ich weiß auch, dass er jetzt k.o. ist." Immer noch muss sich Nagasawa körperlich auf den deutschen Profifußball einrichten. Er hat zwar die Technik für einen Spitzenprofi, aber nicht die Physis.

1. FC Koeln v 1899 Hoffenheim - Bundesliga

Lob erhielt auch Kazuki Nagasawa, hier im Duell mit dem Hoffenheimer Jin-Su Kim.

(Foto: Dennis Grombkowski/Bongarts/Getty Images)

Der Fußballerhandel mit Ländern im fernöstlichen Asien ist inzwischen geübte Praxis in der Bundesliga, Nagasawa stellt jedoch einen interessanten Sonderfall dar. Als er sich im Januar 2014 in Köln niederließ, war er zwar bereits japanischer Landesmeister und japanischer Nationalspieler, allerdings handelte es sich um die Universitätsmeisterschaft und die Studenten-Nationalelf. Ein japanischer Informant hatte die Kölner auf ihn aufmerksam gemacht. Da Nagasawa der Senshu-Universität in Yokohama angehörte, die mit der Profiliga kooperiert, fühlte er sich verpflichtet, zu einem Klub aus der J-League zu gehen. Das angebotene Engagement in Deutschland anzunehmen, wäre ihm "respektlos" vorgekommen, heißt es beim FC. Trotzdem blieben die Kölner dran, schließlich half eine deutsche Berateragentur mit engen Kontakten nach Japan nach.

Die Verantwortlichen beim FC wollen jetzt nicht behaupten, sie hätten einen neuen Kagawa mit akademischem Diplom (Nagasawa hat Wirtschaft studiert) an Land gezogen, sie sagen auch nicht, dass Osako der neue Yazuhiko Okudera wäre, der 1977 als erster Japaner der Bundesliga in Köln anheuerte. Aber sie glauben seit diesem Wochenende, dass sie zwei gute Spieler für die nächste Saison einplanen dürfen. Auch dank Osako und Nagasawa richten sich die Planungen beim Aufsteiger vermehrt auf die erste Liga.

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