Bundesliga:Köln träumt von Europa

1. FC Köln - VfL Wolfsburg

Bald mit dem FC im Europacup? Kölns Trainer Peter Stöger.

(Foto: dpa)

Von Milan Pavlovic, Köln

Der September 1992 in Glasgow war überdurchschnittlich warm. Alfons Higl und Carsten Keuler, Frank Ordenewitz und Pierre Littbarski wurde es damals in Schottland dennoch sehr kalt: Sie zählten zu jenem Team des 1. FC Köln, das im Celtic-Park schmählich 0:3 verlor und aus dem Uefa-Cup ausschied. Bis heute ist es der letzte internationale FC-Termin geblieben. Das könnte sich pünktlich zum silbernen Jubiläum ändern.

Es gibt einige Argumente dafür, warum der 1. FC Köln dieser Tage von Europa träumen darf, ohne ausgelacht oder des Größenwahns bezichtigt zu werden: die überragende Defensive (erst 16 Gegentore); die Fähigkeit, gegen unbequeme Gegner wie Wolfsburg nicht in Hektik oder Aktionismus zu verfallen, sondern geduldig nach Lücken zu fahnden; und nicht zuletzt die Besonnenheit der Verantwortlichen, die wissen, wenn es gilt, in dieser jecken Stadt die Euphorie-Notbremse zu betätigen.

Modeste holt den Elfmeter heraus - und verwandelt ihn selbst

Der augenfälligste Grund für das anhaltende FC-Hoch ist allerdings französischer Herkunft und schlanke 186 Zentimeter groß. Der Spieler heißt Anthony Modeste und hat sich zu einem Naturereignis entwickelt. Ein Raunen geht durch das Stadion, wenn er sich um den Ball bemüht - vor allem dann, wenn seine Kollegen ihn wieder zwingen, seine Kung-Fu-Fußangel auszuwerfen. Es ist ein artistischer Akt, wenn der 28-Jährige den Ball mit dem Fuß aus der Luft holt - aus einer Höhe, die andere Profis selbst bei einem Sprungkopfball nicht erreichen. Auch in einer Partie wie gegen Wolfsburg, in der dem Mittelstürmer nicht übermäßig viel gelang, bestätigte er die alte Weisheit über Stürmer, wonach man sie nicht oft sehen muss, damit sie dem Spiel ihren Stempel aufdrücken.

Gegen die zähen und defensiv deutlich verbesserten Niedersachsen kam der Moment in der 81. Minute. Da holte Modeste quasi aus dem Nichts gegen Torwart Diego Benaglio einen Foulelfmeter heraus und verwandelte diesen in der 82. Minute zum 1:0-Siegtreffer. Die Wolfsburger beklagten später, Modeste habe vor dem Foul im Abseits gestanden - was ohne technische Hilfsmittel freilich kaum zu erkennen war, weshalb Kölns Trainer Peter Stöger sagte: "Es ist ja nicht so, dass so ein Elfer noch nie gepfiffen worden wäre."

Bemerkenswerter war, dass kein Wolfsburger lamentierte, Modeste hätte gar nicht auf dem Platz stehen dürfen. Dabei hatte es Anfang der vergangenen Woche ja noch so ausgesehen, als würde der Franzose vom DFB-Sportgericht aus dem Verkehr gezogen. Beim 6:1-Erfolg der Kölner in Darmstadt hatte der Stürmer in einem Zweikampf seinen Arm auf eine Art ausgefahren, die eine Tätlichkeit gegen Aytac Sulu vermuten ließ: Es sah nach einem dieser Fälle aus, die gerne in wochenlange Sperren münden.

"Das ist eine einmalige Chance für uns"

Doch dann wurde das Verfahren eingestellt, da Schiedsrichter Robert Kampka die betreffende Szene "hätte sehen können", weil sie sich direkt vor seiner Nase zutrug. Insofern handelte es sich dann doch um eine Tatsachenentscheidung, die nicht revidierbar war. Der Kölner Stadt-Anzeiger brachte für Kampkas Aktion das schöne Wort "Unaufmerksamkeitsblindheit" auf. Sie war es, die für Modestes Straffreiheit sorgte. Und ihm das pointierte Finale gegen Wolfsburg ermöglichte.

"Ich beschäftige mich in dieser Saison relativ wenig mit Tony, denn du brauchst nicht viel zu machen", schilderte Peter Stöger. "Er ist griffig, er ist engagiert, er ist torhungrig, da ist es manchmal als Trainer ganz gut, wenn du dich raushältst." Der Coach weiß die Situation gut einzuschätzen: "So wie er dasteht, und so, wie wir dastehen, ist das kein Normalzustand für uns. 15 Tore in einer Saison in Köln zu machen, so wie voriges Jahr, das war schon eine großartige Leistung. Alles zu bestätigen, was im Vorjahr da war, das ist immer weit schwieriger - und noch mal was draufzusetzen, sowieso."

So geht es dem ganzen Verein, der bisher in 19 Spielen erst drei Niederlagen wegstecken musste. Ohne den Kantersieg der Vorwoche oder den Gegner Darmstadt kleinreden zu wollen, beschrieb Stöger die überbordende Stimmung in der Kölner Kabine: "Die Zufriedenheit über das Spiel und die Umsetzung war heute weit größer als nach dem 6:1 in Darmstadt." Das Match gegen Angstgegner Wolfsburg, der erstmals seit 2006 daheim bezwungen wurde, habe "den Spielern noch viel mehr gegeben".

Und so keimt, dank Modeste und Kölns neuer, modester Philosophie, der Traum von Europa. "Das ist eine einmalige Chance für uns", sagte Stöger. Ob er denn eine Europa-Prämie habe, wurde der Österreicher prompt gefragt. "Hab' ich eine, Schmaddi?", fragte er Jörg Schmadtke, der hinten im Raum an der Wand lehnte. "Ja, hast du", erwiderte der Geschäftsführer. "Hab' ich", antwortete Peter Stöger und schmunzelte.

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