1. FC Köln:Was soll's? Karneval kann man nicht verschieben

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Nur nicht Trübsal blasen: Köln-Trainer Peter Stöger (Foto: Marius Becker/dpa)
  • Der 1. FC Köln ist Tabellenletzter, doch der Verein vertraut weiter Cheftrainer Peter Stöger.
  • In der Länderspielpause sollen die vermissten Pizarro, Cordobaund Risse in Form kommen - und endlich der Erfolg zurückkehren.
  • Karneval gefeiert wird am Samstag natürlich trotzdem.

Von Philipp Selldorf, Köln

Am Sonntagabend feierte die schwer erfolgreiche Kölner Spielerberateragentur "Sports Total" den zehnten Jahrestag ihrer Gründung. Der Rahmen im historischen Festsaal am Botanischen Garten war prächtig, und die Gäste kamen aus allen Ecken des Bundesliga-Landes: Marco Reus trug einen Anzug, Lars Stindl einen Smoking, und der Präsident des 1. FC Köln, Werner Spinner, beeindruckte mit einer roten Fliege, über die er sich selbst lustig machte. Zu später Stunde wurde die Lokalhymne gesungen, "En unserem Veedel" von den Bläck Föös, und außer dem schwäbischen Geschäftsführer des FC, Alexander Wehrle, schunkelte auch der aus Darmstadt zugewanderte Linksverteidiger Konstantin Rausch mit. Dass es nichts nutzt, Trübsal zu blasen, gehört zu den führenden Kölner Lebensweisheiten.

Ein paar Stunden vorher hatte der 1. FC Köln 0:3 gegen die TSG Hoffenheim verloren. Das Spiel, das aus Sicht der weitgehend chancenlosen Gastgeber einem Trauerspiel glich, war am Abend natürlich Gesprächsthema, nicht nur weil etliche FC-Profis Kunden der Agentur sind und zur Feier erschienen, sondern weil der Umgang des Klubs mit der Misere Anlass zu Debatten gibt. Wobei in Wahrheit gar keine Debatten stattfinden, denn auch in der fachkundigen Festgesellschaft war es die vorherrschende Ansicht, dass die Kölner Führung mit ihrem fortgesetzten Vertrauen in den Cheftrainer Peter Stöger den richtigen Kurs wahrt.

Des Ernstes der Lage bewusst

Die sportliche Krise des Tabellenletzten ist an einem Punkt angekommen, da das Wort Krise schon fast zu klein erscheint, umso mehr unterscheidet sich das Kölner Beharren und Benehmen von den üblichen hektischen Umgangsformen im Abstiegskampf. Auf der Party in der Flora hieß der Jubiläumsredner Reiner Calmund den kürzlich auf eigene Initiative ausgeschiedenen FC-Manager Jörg Schmadtke willkommen und lobte, dass dieser mit den übrigen Kölner Klubfunktionären vorbildlich freundschaftlich das Abendessen teilte.

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Beim FC ist man sich, das sollte wohl angemerkt werden, des Ernstes der Lage bewusst, es herrscht große Sorge vor dem Fall in die zweite Liga und den daraus folgenden dramatischen finanziellen Verlusten. Aber man nimmt sich auch die Freiheit, souverän bleiben zu wollen. Das Festhalten an Stöger ist nicht der Ausdruck von Resignation, dass ohnehin alles keinen Sinn mehr hat, sondern - immer noch - von der Überzeugung, dass Stöger die Aufgabe bestehen kann. Die Frage nach dem Trainer sei "überflüssig, sie stellt sich nicht", sagte Präsident Spinner am Sonntag. "Es gibt keine Diskussion um Stöger", erklärte ebenso kategorisch Geschäftsführer Wehrle. Elementare Entscheidungshilfe hatten dazu die Siege im DFB-Pokal und in der Europa League geleistet.

Selbst das leidende Publikum bestätigte durch den Verzicht auf Pfiffe nach dem Auftritt gegen Hoffenheim den österreichischen Trainer in seinem Amt. Gegenteilige Strömungen sind auch in der Mannschaft nicht auszumachen. Die aktuelle Lage sei am wenigsten dem Trainer anzulasten, hob Torwart Timo Horn hervor, ein Wortführer: "Peter Stöger war, ist und bleibt der richtige Trainer für uns", sagte er.

Ähnliche Bekundungen gab es neulich allerdings auch von den Profis des SV Werder Bremen, aber das hat den Trainer Alexander Nouri nicht vor der Entlassung bewahrt. Der Klub sah sich durch den sportlichen Trend zum Handeln gezwungen, was ihm vorerst aber keine Erleichterung, sondern bloß anderen Zwang verschafft hat. Werder muss jetzt einen neuen Trainer finden, der nach Bremen passt. Was schwierig ist. Man denkt, wie erzählt wird, über Bruno Labbadia nach, aber da gibt es erstens Bedenken, weil dieser zuletzt beim Hamburger SV tätig war. Zweitens, weil Labbadia nach häufig wechselnden Engagements im Ruf steht, eine schnelle, aber eher keine langfristige Lösung zu bieten. Markus Weinzierl wiederum, dem längeres Bleiben zugetraut würde, sieht angeblich den Job in Bremen als gefährlich an und müsste zudem aus seinem kostspieligen Vertrag mit dem vormaligen Arbeitgeber Schalke herausverhandelt werden.

Pizarro, Risse und Cordoba werden dringend vermisst

Peter Stöger hat jetzt knapp zwei Wochen Zeit, sein von Verletzungen dezimiertes und von englischen Wochen erschöpftes Team auf die Schlussphase der Hinrunde vorzubereiten. Im Laufe der Länderspielpause sollen die dringend vermissten Rückkehrer Claudio Pizarro, Marcel Risse und Jhon Cordoba wieder in spieltaugliche Form gebracht werden, und aus bisher zwei Punkten soll Stögers Team bis zum Weihnachtsfest eine zweistellige Summe von Zählern zaubern, das ist einerseits der Wunsch der Verantwortlichen - und ein Stück weit die Erwartung. Die wird allerdings schwierig zu erfüllen sein, denn bei realistischer Betrachtung kann bis zur Winterpause nur noch in fünf Partien gepunktet werden - das Auswärtsspiel beim FC Bayern ist eher auszuklammern.

Der Trainer kann damit umgehen: "Ich weiß, dass man von außen sagen könnte: Zwei Punkte mit dieser Mannschaft, das hätte jeder andere Trainer auch geschafft. Aber ich fühle keine Stimmung gegen mich, es ist keine zweigeteilte Geschichte", sagt Stöger auf seine lakonische Art. Jetzt ist es eben Abstiegskampf, kein Grund, das Leben nicht mehr zu mögen.

Am nächsten Samstag, am 11. im 11., wird der Wiener deshalb mit den Kölnern die fünfte Jahreszeit begrüßen. Weihnachten, Geburtstage und den Karneval könne man nicht verschieben, findet Stöger, "deshalb werde ich am Samstag unterwegs sein - und ich bin sicher, dass man das in dieser Stadt verstehen wird".

© SZ vom 07.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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