1. FC Kaiserslautern:Futter für Sehnsüchte

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Die Fans des 1. FC Kaiserslautern warten seit Jahren auf den Aufstieg des Traditionsvereins. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

Nach dem abrupten Ende der Ära Kuntz steht am Betzenberg der größte Umbruch der vergangenen Jahre an. Diesmal sollen die großen Träume im Verein nicht an der Realität scheitern.

Von Tobias Schächter, Kaiserslautern

Er sei "ein Betze-Junkie", sagt Thomas Gries. Der 53-Jährige ist in Kaiserslautern geboren und sah als junger Mann in der Kurve den FCK gegen den FC Barcelona gewinnen. All das erzählte der Marketingmann vergangenen Montag, als er als neuer Vorstandsvorsitzender des 1. FC Kaiserslautern vorgestellt wurde. Gries führte lange die Geschicke von Coca-Cola Deutschland und will den FCK wieder dahin bringen, wo er nach dem Selbstverständnis seiner Fans und Macher hingehört: in die erste Bundesliga. Doch das könnte dauern. An diesem Sonntag empfangen die Pfälzer den Karlsruher SC im Südwestderby der zweiten Liga. Es ist ein Duell der Mittelmäßigen. Vergangenen Sonntag erst bannte ein Heimsieg gegen den SV Sandhausen die Abstiegsgefahr in der Pfalz.

Der Anfang von Gries und seinem Kollegen Michael Klatt (Finanzen), 47, bedeutete auch das Ende des Vorstandsvorsitzenden Stefan Kuntz und von Finanzvorstand Fritz Grünewalt. Nach acht Jahren ging Kuntz am vergangenen Montag vorzeitig. Seit einer für ihn verheerenden Mitgliederversammlung im Dezember traten die Gräben im Klub offen zutage. Weil die Mitglieder dem Aufsichtsratsvorsitzenden Dieter Rombach die Entlastung verweigerten, trat dieser zurück. Das fünfköpfige Gremium wandelte sich von einem Kuntz-freundlichen in ein Kuntz-kritisches. Als der Vorstandsvorsitzende im Winter Spieler verpflichten wollte, sagte das Gremium unter Führung des Unternehmers Nicolai Riesenkampff und Ex-Profi Mathias Abel: nein. Kuntz kündigte deshalb im Januar seinen Rücktritt zum Saisonende an, trotz Vertrages bis Ende Juni 2017. Nun ist seine Ära seit einer Woche Geschichte.

Retter Kuntz beging zu viele Fehler

Kuntz war zunächst als Retter gefeiert worden, nachdem er 2008 den Klub vor dem Absturz in die dritte Liga rettete und 2010 in die Bundesliga zurückführte. Doch in der Abstiegssaison 2011/12 beging Kuntz viele personelle Fehler, und mit jedem Jahr in Liga zwei wuchs die Kritik. Allein- und Vetternwirtschaft wurde dem 53-Jährigen vorgeworfen und von manchen Mitgliedern auch unseriöses Finanzgebaren. Der FCK ist ein sehr emotionaler Verein, die Kritik kommt ohne Filter und laut. Oft auch unter der Gürtellinie und anonym, was Finanzvorstand Grünewalt schon vergangenen Herbst zur Ankündigung seines Rücktritts im April bewegte.

Am Ende war Kuntz zermürbt von den Anfeindungen, er spürte den Machtverlust. Und auch wenn am Montag zum Abschied offiziell nur gute Worte über den Vorstandsvorsitzenden Kuntz aus dem Aufsichtsrat zu hören waren: Nüchtern betrachtet hat der FCK mal wieder einen seiner Helden vom Hof gejagt. Schließlich hat Kuntz jenseits des Rasens Erfolge errungen: Er reduzierte die Miete des viel zu großen WM-Stadions von der städtischen Betreibergesellschaft und kaufte das Grundstück des Jugendleistungszentrums Fröhnerhof zurück.

Ein halbes Dutzend Verantwortliche mussten gehen

Sportlich, in seiner Kernkompetenz, lag Kuntz aber zu oft daneben. Die Sehnsucht, sich wieder mit den Bayern und Schalke zu messen, ist riesig in der Pfalz. Dabei ist der Klub aktuell nur Zweitligadurchschnitt, was auch an der sinnfreien Kaderzusammenstellung des Sportdirektors Markus Schupp liegt, der aber ebenso wie Trainer Kosta Runjaic schon früh in der Saison gehen musste. Der FCK steckt nun in einem epischen Umbruch am Ende einer vermaledeiten Runde, die einen Trainer, einen Sportdirektor, den Aufsichtsratsvorsitzenden und zwei Vorstände um den Job brachte.

Offenbar weil er nach Verhandlungen mit dem Aufsichtsrat keinen Job mit weitreichenden Kompetenzen angeboten bekam, schrieb das FCK-Urgestein Markus Merk vergangene Woche hochbeleidigt einen Offenen Brief, in dem er den Aufsichtsrat harsch kritisierte. Einen Gefallen machte der ehemalige Weltschiedsrichter und aktuelle Sky-Kommentator dem Klub und sich selbst damit allerdings nicht.

Auch die Zukunft des Trainers ist noch völlig offen

Die wichtigste Stelle im Klub aber ist noch immer unbesetzt. Die Geschäfte des Sportchefs führt bis maximal Ende Mai Aufsichtsrat Mathias Abel. Die Favoriten auf den Posten - Uwe Stöver (Holstein Kiel) und Marc Arnold (Eintracht Braunschweig) - stehen bei ihren Klubs noch unter Vertrag. Dabei müssen die Personalplanungen schnell vorangetrieben werden. Vergangene Woche verkündeten Linksverteidiger Chris Löwe und Rechtsverteidiger Jean Zimmer ihren Abschied. Löwe wechselt ablösefrei zum englischen Zweitligaklub Huddersfield Town, Eigengewächs Zimmer für zwei Millionen Euro zum VfB Stuttgart. Auch die Verträge der Routiniers Markus Karl und Ruben Jenssen laufen aus. Und ob der junge, von Kuntz eingesetzte und bei den Fans umstrittene Trainer Konrad Fünfstück, 35, über die Saison hinaus noch erster Coach ist, hängt von den Ideen des neuen Sportdirektors ab. Bei einer Niederlage gegen Sandhausen am vergangenen Wochenende hätte Fünfstück wohl schon gehen müssen.

Für den FCK beginnt eine neue Ära. In den letzten acht Jahren war Stefan Kuntz das Gesicht des Klubs in guten wie in schlechten Tagen. Er hat sein Ziel nicht erreicht, diesen unruhigen Traditionsklub in der ersten Liga zu etablieren. Aber genau das will die neue Führung. Thomas Gries sagt: "Ich werde durch die Pfalz touren und jeden Bäckermeister aufsuchen, wenn es nötig ist, damit wir wieder diese Begeisterung, diese Winner-Kultur in dem Verein und in der Region etablieren." An dieser Aufgabe sind in den vergangenen 16 Jahren beim FCK schon viele gescheitert.

© SZ vom 10.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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