1. FC Kaiserslautern:Die Hölle erlischt

Arminia Bielefeld - 1. FC Kaiserslautern

Trauer nach dem Ende: Der 1. FC Kaiserslautern ist in die dritte Liga abgestiegen.

(Foto: Guido Kirchner/dpa)
  • Der 1. FC Kaiserslautern steigt erstmals in seiner Vereinsgeschichte in die dritte Liga ab.
  • Von dem alten Verein, der als Außenseiter groß wurde, ist gerade hauptsächlich noch der Name derselbe.
  • Denn der Absturz hat sich angekündigt: Der FCK gab schon vor langer Zeit das auf, was ihn jahrzehntelang stark gemacht hat.

Von Martin Schneider, Kaiserslautern

Wenn man sich vom Bahnhof in Kaiserslautern auf den Weg zum Betzenberg macht, dann kommt man an zwei Denkmälern vorbei. Beides sind Fußball-Denkmäler, natürlich. Das eine Denkmal ist in der Mitte eines Kreisverkehrs aufgebaut, der offiziell Löwenburgkreisel heißt, aber das weiß man nur, wenn man auf einer Karte nachschaut. In der Mitte liegt ein Fußball, der so aussieht, wie eine Lederkugel, mit dem man in den 70er-Jahren spielte, der mit den schwarzen Fünfecken, umschlossen von weißen Sechsecken. Um den Ball steht eine Fußballmannschaft, der Torwart trägt schwarz, die Spieler rot. Die Menschen in Kaiserslautern nennen den Kreisverkehr Elf-Freunde-Kreisel.

Weiter oben, kurz vorm Stadion steht ein weiteres Denkmal. Fünf Spieler sind in Bronze gegossen. Werner Liebrich, Fritz Walter, Werner Kohlmeyer, Horst Eckel und Ottmar Walter - die Spieler aus Kaiserslautern, die mit der deutschen Nationalmannschaft 1954 in Bern Weltmeister wurden und deren Sieg nun Wunder genannt wird. Unter den fünf Spielern ist ein Zitat von Sepp Herberger in Sandstein graviert. Nicht eine seiner bekannten Aphorismen ("Der Ball ist rund" etc.), nein, in rötlicher Schrift steht da: "Die Außenseiterrolle ist ein Schlüssel für die Schatzkammer unermesslicher Kräfte, die - geweckt und geschürt - Energien freisetzt, die helfen Berge zu versetzen."

Auf diesen zwei Werten haben sie in Kaiserslautern ihren Fußball aufgebaut. Zusammenhalt - heute würde man Teamspirit sagen, zu Fritz Walters Zeiten hieß es Kameradschaft - und dem ewigen Kampf gegen die Großen. Wer aus Kaiserslautern kommt, das war schon immer so, konnte nicht groß sein. Groß war man in München, in Barcelona, in Madrid - und nicht in einem Ort, umgeben von Wald und Grumbeerfeldern, wie Kartoffeläcker in der Pfalz heißen. Aber in Kaiserslautern konnte man für Momente groß werden. Der 1. FC Kaiserslautern schlug Barcelona (3:1, 1991), er schlug den FC Bayern München (mehrfach) und er schlug Real Madrid. 5:0 im Viertelfinale des Uefa-Pokals 1982.

Das war früher. Heute steigt der 1. FC Kaiserslautern in die dritte Liga ab. Von dem alten Verein ist gerade hauptsächlich noch der Name derselbe.

Als eines seiner ersten deutschen Wörter lernte Guardiola "Kaiserslautern"

Die Geschichten und Legenden füllen Archive, Bundesligachroniken und Stammtischabende. Und sie hatten schon immer ein Stadion, das Teil dieser Geschichte ist. Es war eines der ersten Stadien ohne Laufbahn, es war eng, es steht als einziges Stadion in Deutschland auf einem Berg. Festungen und Burgen stehen auch auf Bergen - und wer sie erobern will, muss gegen die Leute in der Burg kämpfen. Und die kämpften schon immer mit allen Mitteln. Es passt, dass es am Stadion noch eine dritte Statue gibt. An einem der riesigen Betonpfeiler hängt in Bronze der Teufel.

Uli Stielike, der beim 0:5 gegen Real für Madrid auf dem Platz stand, sagte zur Atmosphäre: "Das war sicherlich Furcht erregend", Schiedsrichter Walter Eschweiler nannte die FCK-Fans die "wahren Südländer" Deutschlands, Bayern-Stürmer Franz "Bulle" Roth behauptete, das Stadion sei so eng, man habe Stock- und Schirmschläge der Zuschauer abbekommen, Udo Lattek, Trainerlegende, sagte mal: "Früher haben wir bei Spielen auf dem Betzenberg immer die Hosen voll gehabt" und eines der ersten deutschen Wörter, die Pep Guardiola lernte, war "Kaiserslautern", weil er dort beinahe aus dem Europapokal flog - nach einem 3:0-Hinspiel-Sieg in Barcelona.

Erst verliert der FCK die Außenseiterrolle - und dann den Betzenberg

Der 285 Meter hohe Berg wurde zum Mythos und dann kam das Jahr 1998, als Kaiserslautern als Aufsteiger Meister wurde. Es gibt bis heute keine größere Außenseitergeschichte im deutschen Fußball, aber diese deutsche Meisterschaft war der Höhe- und Wendepunkt in der Geschichte des FCK. Denn danach wollte Kaiserslautern nicht mehr Außenseiter sein - man wollte selbst groß werden. Das Führungstrio Jürgen "Atze" Friedrich, Gerhard Herzog und Robert Wieschemann wollte die großen Spieler nach Kaiserslautern holen. Weltmeister Youri Djorkaeff oder den Nigerianer Taribo West, der sich die Haare grün färbte und zuvor bei Inter und AC Mailand gespielt hatte. Dabei ging es nicht legal zu, das Trio wurde wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Wieschemann sagte in der DSF-Sendung Doppelpass den berühmten Satz, sie hätten ein "Defizit an Durchblick". Der FCK muss Millionen nachzahlen, rutscht an den Rande des Konkurs. Und dann kam noch der Zuschlag für die Weltmeisterschaft 2006.

Politik und Verein wollten das Turnier in der Pfalz haben und die Fifa scherte sich natürlich nicht darum, dass man hier jahrzehntelang ohne Probleme Fußball spielen und schauen konnte. Sepp Blatter wollte Prachtbauten sehen. Und so wurde das Stadion größer und größer (schon vor dem WM-Zuschlag, in den 90ern, waren Teile der Nordtribüne duch eine Art Luxushotel mit Fußballplatz-Blick ersetzt worden). Wo früher 38 000 Zuschauer reinpassten, waren es jetzt fast 50 000. Kaiserslautern hat übrigens ungefähr 100 000 Einwohner.

Der FCK gab in kürzester Zeit das auf, was ihn jahrzehntelang stark gemacht hat. Erst die Außenseiterrolle. Und dann den Betzenberg.

Der gehörte nämlich zur WM schon gar nicht mehr dem Verein. Er musste das Stadion 2003 an eine Stadion-GmbH verkaufen, deren einziger Gesellschafter die Stadt Kaiserslautern war. Seitdem zahlt der Klub Miete und weil in der Pfalz keine DAX-Unternehmen sitzen, war jedem klar, dass diese Rechnung höchstens dann aufgeht, wenn Kaiserslautern immer Bundesliga spielt.

2013 erlebt der Betze sein letztes Beben

2006 passierte dann der zweite Abstieg, 2008 drohte der Klub schon einmal in die dritte Liga zu stürzen. Durch einen unglaublichen Schlussspurt und ein 3:0 gegen den 1. FC Köln am letzten Spieltag rettet sich der Verein. In Kaiserslautern regnete es an diesem Tag. Fritz-Walter-Wetter heißt das hier, weil ihr ehemaliger Kapitän bei Regen immer besonders gut spielte. Der Fritz hat das Wetter für den FCK geschickt, das war jedem in Kaiserslautern klar.

Der FCK kehrte dann 2010 nochmal in die Bundesliga zurück, schlug den FC Bayern 2:0, schenkte Manuel Neuer im Schalker Tor fünf Treffer ein. Dann ging es ein Jahr später wieder runter in die zweite Liga und als die Zuschauer 2013 in der Aufstiegs-Relegation gegen die TSG Hoffenheim ihre unterlegene, aber bis zum Schluss kämpfende Mannschaft anfeuerten, da war das der letzte Betze-Moment, das letzte Beben auf dem Fußballberg, das letzte Aufglimmen der Hölle.

Kaiserslautern wird in der dritten Liga antreten können, sie haben die Lizenz bekommen. Gegner werden dann Großaspach, Lotte und Zwickau sein. Aber es gibt da eine Sache, die ist eigentlich noch viel schlimmer als die Spielklasse oder die prekäre finanzielle Situation, die nun noch mehr vom Steuerzahler aufgefangen werden muss. Egal, wie es um den FCK stand, die Pfalz stand hinter dem Verein. Beim vorentscheidenden Spiel gegen Dynamo Dresden war das Stadion halbvoll. Die bitterste Nachricht an diesem Tag des Abstieges ist: Der 1. FC Kaiserslautern ist vielen Leuten egal geworden. Und wenn das so bleibt, dann hat der Verein nur eine Vergangenheit.

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