17. Etappe:Zwei Opfer der Alpen

17. Etappe: Wird nicht mehr in ein Tour-Trikot schlüpfen: Marcel Kittel zieht sich vom Radsport zurück.

Wird nicht mehr in ein Tour-Trikot schlüpfen: Marcel Kittel zieht sich vom Radsport zurück.

(Foto: Philippe Lopez/AFP)

Sprinter Marcel Kittel gibt nach einem Sturz das Rennen auf. Währenddessen verliert Fabio Aru, einer von Froomes schärfsten Konkurrenten, Zeit.

Von Johannes Knuth, Briançon

Die Etappe war gerade erst angebrochen, da kam es im hinteren Teil des Feldes zum Stau. Massensturz. Ein Knäuel aus Fahrrädern und ihren Besitzern lag auf der Landstraße, manche wichen hektisch aus - und rauschten kopfüber den Hang neben der Straße hinunter, wie der Brite Steve Cummings. Langsam entwirrte sich das Knäuel. Dann war das pastellgrüne Trikot von Marcel Kittel zu erkennen. Das Leibchen war an der rechen Schulter aufgeschlitzt, verschmutzt, als hätte der 29-Jährige eine Schicht im Kohlebergwerk hinter sich. Kittel griff sich an den Arm, der Mechaniker brachte ein neues Rad. Aber so langsam, wie Kittel sich ins Rennen schob, so offen er seine Schmerzen im Gesicht trug, war bald klar: Radfahren würde er nicht mehr lange an diesem Tag.

Kittel erklärte enttäuscht: "Es war nach knapp 20 Kilometern auf der rechten Straßenseite. Ich konnte nichts machen, bin einfach gefallen und auf der Straße aufgewacht."

Spitzenreiter Christopher Froome meistert alle Attacken der Rivalen

Die 17. Etappe dieser Tour de France sollte eigentlich im Zeichen von den Jägern und dem Gejagten Christopher Froome stehen, der sein Gelbes Trikot nach 183 Kilometern in Serre Chevalier letztlich behielt. Zunächst wurde sie aber vom besten Sprinter des Feldes geprägt. Kittels Tour endete am Mittwoch mit Blechschaden im Straßengraben, das Grüne Trikot des Punktbesten, das zuletzt 2001 in den Besitz eines Deutschen gewandert war (Erik Zabel), ist ihm ebenfalls entglitten. Es wäre wohl noch mal eng geworden, der Australier Michael Matthews vom deutschen Team Sunweb war nach dem furiosen Rennen am Dienstag und einem erfolgreichen Zwischensprint am Mittwoch bis auf neun Zähler an Kittel herangerückt. Hätte, hätte.

Bleiben fünf Etappensiege für Kittel, dazu eine neue deutsche Bestmarke bei der Tour (14), aber derartige Referenzen dürften den schnellen Mann aus Arnstadt am Mittwoch kaum interessiert haben.

Die Etappe gehörte nach dem frühen Sturz den Ausreißern. Primoz Roglic setzte sich auf dem Weg zum Col du Galibier aus einer größeren Gruppe ab und wahrte sein Guthaben bis ins Ziel - es ist der bislang größte Erfolg seiner Karriere, die ihn vom WM-Titel mit dem slowenischen Skisprung-Junioren (2007) zum Etappensieger bei der Tour führte. "Unglaublich, verrückt", fand Roglic. Die Favoriten krochen dahinter gemeinsam über die ersten Berge, den Croix de Fer und den Col du Télégraphe, dann ging es 18 quälend lange Kilometer auf das Dach der Tour, den 2642 Meter hohen Galibier.

Immer wieder attackierte Frankreichs Hoffnung Romain Bardet, immer wieder schloss Froome die Lücke, immer wieder verlor der Italiener Fabio Aru den Kontakt. Froome behauptete am Ende seinen knappen Vorsprung und seine Favoritenrolle; seinen Verfolgern bleibt bloß die letzte Alpenetappe am Donnerstag, um einen Wirkungstreffer zu setzen. Der Kolumbianer Rigoberto Urán sicherte sich im Sprint zwei Bonussekunden und ist mit 27 Sekunden Rückstand neuer Zweiter, gleichauf mit Bardet. Aru verlor 31 Sekunden, liegt jetzt 53 Sekunden zurück und dürfte es in Paris nicht mehr aufs Podium schaffen. Andererseits: Man habe bei dieser Tour oft gesehen, wie schnell ein Moment alles ändere. Das hatte zuletzt ein gewisser Marcel Kittel gesagt.

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