50+1:Der deutsche Fußball ringt um seine heilige Regel

DSC Arminia Bielefeld v SG Dynamo Dresden - Second Bundesliga

Fans in der ersten und zweiten Liga - hier die Anhänger von Arminia Bielefeld - sprechen sich für 50+1 aus.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern, spricht sich erneut für eine Abschaffung der 50+1-Regel aus, die die Macht von Investoren im deutschen Fußball begrenzt.
  • Fans kündigen einen "Sturm" an, sollte der deutsche Fußball die Regel aufweichen oder abschaffen.

Von Martin Schneider

Die Debatte wird emotionaler, die Wortwahl martialischer. Fußball-Fans sprechen von Sturm und Krieg. Das Bündnis "ProFans", eine Interessenvertretung für aktive Fan- und Ultragruppen in Deutschland, darunter auch Bayern- und Dortmund-Fans, schreibt wörtlich: "Bundesweit wird ein Sturm heraufziehen, sollten die Verantwortlichen bei DFB und DFL nicht schleunigst ein Machtwort für den Erhalt von 50+1 in seiner jetzigen Form sprechen." Und weiter: "Eine Aufweichung beziehungsweise de facto Abschaffung der 50+1-Regel unter dem Deckmantel einer Modifizierung ist eine klare Kriegserklärung."

In diese Stimmungslage hinein sagt Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandvorsitzender des FC Bayern, in einem Interview mit der Zeitschrift GQ: "Ich hoffe, dass die Deutsche Fußball-Liga (DFL) die 50+1-Regel freigeben wird." Außerdem sagt Rummenigge: "Ich denke, jeder Verein sollte für sich selbst entscheiden, ob er sich für Investoren öffnet, wie weit er sich für Investoren öffnet oder ob er sich gar nicht öffnet."

Weder die Haltung von Karl-Heinz Rummenigge noch die der Fans ist völlig neu, beide Parteien haben sich in der Vergangenheit bereits ähnlich geäußert. Aber sie zeigen, auf welche Konfrontation der deutsche Fußball zusteuert.

Die Liga positioniert sich in der Debatte

Zur Erinnerung: Die 50+1-Regel begrenzt die Macht von Investoren im deutschen Fußball. Sie besagt, dass die Stimmenmehrheit eines Klubs immer bei einem Verein, in letzter Instanz bei den Vereinsmitgliedern, liegen muss. In der Bundesliga spielen aktuell dreieinhalb Ausnahmen. Bei Leverkusen, Hoffenheim und Wolfsburg haben die Bayer AG, Dietmar Hopp und VW das Kommando. Sie sind dazu berechtigt, weil sich diese Parteien mindestens 20 Jahre lang ununterbrochen und erheblich engagiert haben. Es ist zudem unwahrscheinlich, dass sie einfach wieder abspringen. Die halbe Ausnahme bildet RB Leipzig, der Verein hat sich mit dem Sponsor Red Bull eine umstrittene Konstruktion mit 17 stimmberechtigten Vereinsmitgliedern gebaut.

Die Krux an der 50+1-Regel: Es gibt große Zweifel, ob sie vor einem ordentlichen Gericht standhalten würde, weil sie einen erheblicher Eingriff in den Wettbewerb darstellt. Bisher hat allerdings noch niemand geklagt.

Weil die Regel juristisch als angreifbar gilt, drohten die Investoren Martin Kind in Hannover und Hasan Ismaik bei 1860 München schon mehrfach mit dem Gang vor Gericht. Ismaik legte eine Beschwerde beim Bundes-Kartellamt ein - aber mehr ist noch nicht passiert; Kind versuchte bei der DFL zunächst, eine Ausnahmegenehmigung auf Basis der 20-Jahre-Regel zu erwirken. Den Antrag zog er kurz vor einer möglichen Entscheidung zurück, allerdings nahm die DFL diesen Vorgang zum Anlass, eine "ergebnisoffene Grundsatzdebatte" auszurufen. Das war der Startschuss.

Wie reagieren die Klubs, wenn 50+1 fällt?

Den Fans ist 50+1 nämlich heilig. In England führte der Einstieg von Investoren unter anderem zu sehr hohen Ticketpreisen. Aber es geht auch ganz konkret darum, wem der Fußball gehören soll: den Vereinsmitgliedern oder den Investoren? In Hannover ist die Debatte längst eskaliert. Die aktive Fanszene feuert ihren Klub wegen der Übernahme-Pläne von Präsident Kind nicht mehr an - obwohl Hannover als Aufsteiger eine hervorragende Saison spielt, ist die Stimmung so schlecht wie noch nie. Stattdessen schallt "Kind muss weg" durch die Arena, gebrüllt aus hunderten Kehlen.

Befürworter sagen wiederum, mit externen Investoren hätten manche Klubs endlich wieder die Möglichkeit, den Abstand auf den sportlich und finanziell enteilten FC Bayern zu verkürzen und auch in Europa wieder konkurrenzfähig zu werden. Sie weisen darauf hin, dass es die Ausnahmeregelungen der DFL schon jetzt schwer machen, die Grundsätze von 50+1 zu schützen. Manche Klubvertreter deuten an, dass sie sich für das Ende der Regel rüsten. Klaus Hofmann, Präsident des FC Augsburg, sagte im etwa kicker: "Wenn 50+1 fallen sollte, wird auch der FCA reagieren müssen."

Fällt die Regel, könnte jeder Verein eigenständig entscheiden, ob er die Mehrheit seiner Anteile an einen Investor verkauft - darauf weist auch Rummenigge hin, wenn er sagt: "Ich denke, jeder Verein sollte für sich selbst entscheiden, ob er sich für Investoren öffnet." Diese Argumentation - eine Abschaffung würde nur mehr Freiheit schaffen - stimmt auf der einen Seite. Auf der anderen Seite würde es aber die Vereine, die sich gegen einen Verkauf entscheiden, unter massiven Druck setzen. Ein Beispiel: Die Mitglieder von Mainz 05 würden sich für einen Verkauf entscheiden. Dann müsste etwa der SC Freiburg wählen zwischen den Optionen: Ebenfalls verkaufen und mit dem gleichen Geld in den Abstiegskampf gehen - oder ohne frisches Kapital ziemlich sicher in die zweite Liga absteigen.

Auch unter Vereinsvertretern herrscht da keine Einigkeit. Während Rummenigge klar gegen die strikte Auslegung der 50+1-Regel ist, äußerte sich Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund, in einer Sky-Sendung im Februar skeptisch gegenüber einer Aufweichung: "Wir akzeptieren, dass wir irgendwo Grenzen haben, sind dafür aber frei. Das ist ein großer Wert."

Es ist keine einfache Debatte, die der deutsche Fußball führt. Vor allem, weil vermutlich jedem klar ist, dass der Widerstand der Fans massiv sein wird. Weit größer, als er jetzt beim Protest gegen die ungeliebten Montagsspielen ist. Nächster wichtiger Termin ist der 22. März. Da wollen die deutschen Profi-Klubs auf einer Mitgliederversammlung über den weiteren Diskussionsprozess zum Thema 50+1-Regel entscheiden.

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