2. Bundesliga: TSV 1860 München:Gesucht: Savio Nsereko

Die Sorge um seinen Stürmer treibt Zweitligist TSV 1860 München zu einem beispiellosen Hilferuf. Der Verein bittet die Öffentlichkeit, Kontakt zum abgetauchten Spieler herzustellen.

Gerald Kleffmann

Am Dienstag um zehn Uhr begann das Training der Fußballer, normalerweise hätte diese Übungseinheit nur hartgesottene Fans interessiert. Das letzte Spiel, das 1:0 gegen Union Berlin am 3. Oktober, ist verarbeitet, die nächste Partie am Sonntag in Oberhausen weit entfernt. Und doch zog es fast ein Dutzend Reporter an die Grünwalder Straße 114, sogar ein Kamerateam bezog Stellung. Um zu sehen, ob er wieder auftauchen würde.

Savio Nsereko 1860

"Wir wissen bis heute nicht, wo sich unser Spieler aufhält" - Savio Nsereko von Zweitligist TSV 1860 München bleibt verschollen.

(Foto: imago sportfotodienst)

Aber er kam nicht. Savio Nsereko, 21 Jahre alt und Profi beim Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München, bleibt seit Freitag verschollen, und schon jetzt ist klar: Die pralle Vereinsgeschichte der Sechziger ist wieder um einen bizarren Fall reicher. Noch hoffen sie freilich, dass er am Ende gut ausgeht. Und dass es für alles irgendwie gute Gründe gibt.

Widersprüchliche Aussagen

Geschäftsführer Robert Niemann und Sportdirektor Miroslav Stevic sahen sich am Mittag vorerst gezwungen, eine Erklärung abzugeben. Niemann kam gleich auf den Punkt: "Wir wissen bis heute nicht, wo sich unser Spieler aufhält. Wir machen uns Sorgen. Wir tragen eine Mitverantwortung für jeden Mitarbeiter unseres Hauses." An die Journalisten gerichtet sagte er: "Ich bitte Sie, die Suche und die Kontaktaufnahme positiv zu unterstützen." Die Löwen funken SOS, die Öffentlichkeit soll jetzt helfen, Nsereko ausfindig zu machen. Ohnmacht offenbart sich in diesem Aufruf.

Andererseits, was sollen die Vereinsoberen machen? "Wir haben Kontakt zu verschiedenen Organisationen", sagte Niemann. Die Polizei dürfte demnach informiert sein über das Verschwinden des jungen Mannes. Ohne Sucherfolg. "Wir haben mit seiner Familie geredet, mit seinem Berater, die haben alle das selbe Problem", erklärte Stevic. Nämlich, dass sie nicht wüssten, wo sich Nsereko aufhalte. Am Freitagnachmittag hatte der Sportchef noch Kontakt zu dem Offensivspieler gehabt, da hatte Nsereko bereits unentschuldigt den Abflug nach Krakau verpasst, wo 1860 ein Testspiel am Samstag bestritt. "Ich bin wohl die letzte Person, die mit ihm geredet hat", meinte Stevic, der wie Niemann bedrückt aussah.

Was den Vorfall so verwirrend macht, ist, dass seit Freitag immer wieder Aussagen auftauchen, die anderen Aussagen widersprechen. Nsereko, so berichtete kürzlich Stevic, habe ihm vom Tod seines Bruders in Uganda berichtet und sich verspätet für die Krakau-Reise abgemeldet: Nsereko ist in Kampala geboren, lebt aber seit frühester Kindheit in München und spielte bereits für deutsche U-Teams. 2008 wurde er U19-Europameister und als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet. Dann tauchte die Mutter in den Medien auf.

"Es gibt eine Mitteilungspflicht"

Zuerst hieß es, sie wisse nichts vom Tod eines Sohnes, dann berichtete sie, es handle sich um einen Stiefbruder Savios, die Mutter sei eine andere. Savio, so teilte die Mutter zuletzt mit, werde sich zu gegebener Zeit melden, er trauere. Also weiß sie, wo er ist? Der Fall hat die Beobachter derart aufgeschreckt, dass sogar schon Reporter das Privathaus von Nsereko sowie den Tante-Emma-Laden in der Ludwigsvorstadt aufgesucht haben, wo die Mutter arbeitet. Was den Verein besonders irritiert, formuliert Trainer Reiner Maurer so: "Es gibt eine Mitteilungspflicht." Ob Nsereko bestraft wird, spielt für 1860 vorerst aber keine Rolle. "Ohne eine Faktenanalyse werden wir keine Aussage treffen oder ihn vorverurteilen", sagte Niemann.

Dass der von Florenz ausgeliehene Nsereko kein einfacher Typ ist, zeigte sich mehrmals. Einmal schmollte er, weil er in einem Testspiel einen Elfmeter nicht schießen durfte. Dann verweigerte er das Auslaufen nach der Zweitligapartie in Bochum. Am Tag vor der Krakau-Reise verschlief er das Training. Nsereko, der als Beispiel dafür taugt, wie ein Talent (das bei 1860 ausgebildet wurde) in Europa herumgereicht wird, war nach dem Training meistens mit dem Handy zu sehen. Umso seltsamer ist, dass er nicht mal auf SMS von Mannschaftskollegen reagiert. Überdies, für den Tod eines Bruders "gibt es bis jetzt keinen Beweis", sagte Maurer. "Das ist fragwürdig." Wie der gesamte Fall.

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