2. Bundesliga: 1860 München:Tanz auf Ruinen

Der TSV 1860 spielt trotz der Finanzprobleme wie befreit auf und bezwingt Karlsruhe 5:1. Der Besuch von Präsident Schneider in der Kabine vor dem Spiel hatte offenbar Wirkung gezeigt. Vor allem Kevin Volland überzeugte.

Markus Schäflein

Vor dem Spiel besuchte Präsident Dieter Schneider die Mannschaft des Fußball-Zweitligisten TSV 1860 München aus aktuellem Anlass in der Kabine. "Ich habe den Spielern gesagt, dass wir noch nicht tot sind, dass 1860 nicht sterben darf und auch nicht sterben wird", berichtete Schneider. Seine Worte kamen offenbar an. Jedenfalls spielten die Löwen just nach jener dramatischen Pressekonferenz, in welcher der Verein seinen erschreckenden Finanzbedarf öffentlich gemacht hatte, so befreit wie überhaupt noch nie in dieser Saison.

TSV 1860 München - Karlsruher SC

Durften gleich fünf Mal jubeln: Die Spieler des TSV 1860 München.

(Foto: dpa)

Am Ende gab es ein 5:1 gegen den Karlsruher SC, eine rauschende Gala nach sechs Heimspielen ohne Sieg, und die trotzigen Hymnen der Fans ertönten besonders lautstark. Trainer Reiner Maurer war "natürlich rundum zufrieden". Die Mannschaft werde "mit guten Leistungen zum Sanierungskurs beitragen", versprach er: "Ich denke, dass wir den Zuschauern ein rundum attraktives Spiel geboten haben und gezeigt haben, was wir für Fähigkeiten in der Mannschaft haben."

Weil Aleksandar Ignjovski angeschlagen war, setzte Maurer im defensiven Mittelfeld erneut auf Kai Bülow - jenen Bülow, der nach seinem Auftritt auf dieser Position gegen Oberhausen arg gescholten worden war. Wie aus Trotz bot er diesmal eine grundsolide Leistung. Nach acht Minuten schlug er den Ball schön und weit auf die linke Seite zu Daniel Halfar, dessen Flanke Kevin Volland zum 1:0 ins Netz spitzelte. Die Karlsruher versuchten mitzuspielen, was den Löwen entgegenkam. Denn Chancen erspielten die Badener sich dadurch nicht, aber in der Defensive eröffneten sie den Münchnern die Räume für schöne Angriffe. Das 2:0 erzielte Bülow nach einer verlängerten flachen Halfar-Ecke, die KSC-Torwart Kristian Nicht nicht festhalten konnte (21.). Den dritten Treffer steuerte der überragende Halfar per Freistoß selbst bei, als der nicht minder starke Volland an der Strafraumgrenze gefoult worden war (35.).

Die Halbzeitführung war in dieser Höhe angemessen, die Karlsruher hatten Pässe ins Nichts, schlampige Abspiele und katastrophale Defensivfehler geboten; in dieser Form zählen sie zu den ernsthaften Abstiegskandidaten. "Das frühe 1:0 hat uns schon einen Genickschlag versetzt", sagte KSC-Trainer Rainer Scharinger, "warum, kann ich auch nicht sagen, es liegt einiges im Argen bei dieser Mannschaft."

"Tat mal gut"

Zu Beginn der zweiten Hälfte mühten sich die Karlsruher wenigstens um den Anschlusstreffer und kamen erstmals zu Torchancen, doch 1860-Torwart Gabor Kiraly war bei einem Freistoß von Delron Buckley (46.) und einem Distanzschuss des eingewechselten Chrisantus (50.) auf dem Posten. Volland sorgte mit seinem fünften Saisontreffer für die Entscheidung: Er fing einen Fehlpass von Kiliann Witschi ab, steuerte alleine aufs Tor zu und nutzte die Möglichkeit souverän (68.). Bundesligist 1899 Hoffenheim, der Volland schon gekauft und an 1860 zurückverliehen hat, wird in diesen Wochen seine Freude daran haben, Vollands Auftritte im Fernsehen zu bewundern.

Dann durfte sogar der diesmal vergleichsweise blasse Torjäger Benjamin Lauth noch einen Treffer erzielen, Halfar setzte ihn wunderschön in Szene (78.). Dass eine Minute später Alexander Iaschwili noch für den KSC traf, störte niemanden beim Jubeln. "Tat mal gut", sagte Halfar, "und es war wichtig, dass wir nach so einem Tag so ein Spiel gezeigt haben. Wir hatten ja einiges aus der Zeitung erfahren, und natürlich redet man darüber in der Mannschaft."

Volland hingegen hatte "den ganzen Tag keine Zeitung gelesen", wie er beteuerte; die Bedeutung des Erfolgs war ihm dennoch bewusst. "Die ganze Mannschaft hat von Anfang an Gas gegeben, nicht nachgelassen und ein super Spiel gezeigt", freute sich der Stürmer. Und Maurer blieb angesichts der Finanzlage gewohnt gelassen: "In solchen Situationen waren wir schon öfter, und ich bin voller Zuversicht, dass es wieder klappt." Keiner mochte daran denken, dass diese rauschende Ballnacht vielleicht ein Tanz auf den Ruinen war.

Jenem Zeitraum von zwölf Tagen zu Folge, den die Verantwortlichen auf der Pressekonferenz als Deadline genannt hatten, könnte es schlimmstenfalls das letzte Profispiel des TSV 1860 gewesen sein: Am kommenden Wochenende ist Länderspielpause.

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