2. Bundesliga:Löwe aus Leidenschaft

1860 Muenchen - Training Session

Daniel Bierofka besitzt bislang nicht einmal eine Lizenz als Fußballlehrer. Eine Sonderregelung soll helfen.

(Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Daniel Bierofka folgt auf Benno Möhlmann als Trainer des abstiegsbedrohten Zweitligisten TSV 1860 München.
  • Der 37-Jährige trainierte bisher die U21, besitzt aber noch keine Lizenz als Fußballlehrer.
  • Er habe eine klare Vorstellung davon, wie die Mannschaft spielen wird, verspricht Bierofka.

Von Philipp Schneider

Seinen letzten Arbeitstag als Trainer des Zweitligisten TSV 1860 München hat Benno Möhlmann in Bremen verbracht, in seiner Heimat, es war trotzdem ein sehr arbeitsreicher Tag. An seinem letzten Arbeitstag stand der 61-Jährige auf keinem Fußballplatz, er setzte keine bunten Hütchen auf den Rasen, er schoss nicht etwa selbst aufs Tor, auch lief er nicht mit einer Mannschaft durch den Wald. An seinem letzten Arbeitstag als Trainer von 1860 München hat Benno Möhlmann einen Rasenmäher gekauft. In Bremen. Keinen für den Fußballplatz, einen für den Garten. Das hat er so erzählt, im sympathischen Plauderton, der ihm eigen ist, am Telefon, einem der Münchner Sportjournalisten, die ihn am Montag erreicht haben. Das waren fast alle. Und während Möhlmann also an seinem letzten Arbeitstag viel Zeit am Handy verbrachte, tagte in Giesing ein Krisenstab um Sportdirektor Oliver Kreuzer, der Möhlmanns Entlassung beschloss.

"Wenn man über eine Trainerentlassung nachdenkt, ist es sinnvoll, das jetzt zu tun", sagte Möhlmann in Bremen. Man durfte also davon ausgehen, dass in München etwas vorgefallen war, dass dem Trainer jegliche Lust auf Fortsetzung seiner Beschäftigung bei 1860 nahm.

Schon am Dienstagvormittag, also ungewöhnlich flott, verkündete der Klub, dass Daniel Bierofka Möhlmanns Nachfolger werden soll. Nachdem Kreuzer dem Vernehmen nach einen Vorstoß unternommen hatte, Mirko Slomka für das potenzielle Himmelfahrtskommando zu gewinnen, den trudelnden Zweitligisten vier Spieltage vor Ende der Saison noch aufzufangen, soll das nun der langjährige Löwen-Profi Bierofka richten, der seit eineinhalb Jahren Sechzigs U21 verantwortet. "Wir haben die letzten Wochen nicht so performed, wie wir uns das vorgestellt haben", gab Kreuzer als Entlassungsgrund zu Protokoll. Nach dem 1:2 gegen den Tabellenletzten Duisburg am Freitag, der den Absturz auf den vorletzten Tabellenplatz zur Folge hatte, "haben wir viele, viele Gespräche geführt und uns gefragt: Was ist das Beste für den Verein?" Die Gespräche und Fragen führten schließlich zu dem Ergebnis, "dass wir am Ende des Tages bei Biero hängengeblieben sind", sagte Kreuzer.

Bierofka, 37, besitzt bislang nicht einmal eine Lizenz als Fußballlehrer. Eine Sonderregelung sieht allerdings vor, dass er für die Dauer von 15 Werktagen, also für die nächsten drei Spiele, Cheftrainer von 1860 sein darf. "In der Zwischenzeit sind wir dran, eine Ausnahmeregelung für die Zeit danach zu erwirken", versprach Kreuzer. Die wird am letzten Spieltag benötigt werden, wenn 1860 zum ebenfalls abstiegsgefährdeten FSV Frankfurt reist. Und möglicherweise für zwei weitere Spiele in einer dann folgenden Relegation.

Trainerlizenz hin oder her, Bierofka habe mit seiner Arbeit in der U21 bewiesen, dass er ein "Trainertalent" sei, lobte Kreuzer. Außerdem sei er dank seiner langen Vergangenheit als Sechzig-Profi "eine absolute Identifikationsfigur", von der er "glaube, dass er die Mannschaft erreichen kann. Er kennt ja einige Spieler noch sehr gut". Offenkundig glaubte Kreuzer nicht länger daran, dass Möhlmann die Mannschaft noch erreichen würde. Ins Bild passte auch, dass einige Spieler nicht mehr wie gewohnt mit Möhlmann zusammenarbeiten wollten. Am Tag nach der Pleite in Duisburg hatten einige von ihnen bei einer Kabinen-Aussprache an der Grünwalder Straße spontan ihre Meinung kundgetan. Kreuzer hatte die Spieler danach demonstrativ in Schutz genommen und gesagt, er sei "enttäuscht über das Resultat, nicht über die Leistung der Mannschaft". Der im Oktober erst als Retter verpflichtete Möhlmann hatte angemerkt, es gebe im Mannschaftskreis "immer Leute, die gegen den Trainer sind" - und "100-prozentigen Rückhalt" der Vereinsführung gefordert. Dann musste er gehen.

Das Prinzip der Beförderung von Nachwuchstrainern zu Verantwortlichen der Profimannschaft mangels Alternativen (und Geld) hat das Potenzial, sich zu einer der größten Traditionen des Traditionsvereins zu entwickeln. Bierofka ist nach Alexander Schmidt, Markus von Ahlen und Torsten Fröhling bereits der vierte Nachwuchs-Trainer seit November 2012, der bei 1860 aufrücken darf. Je nach Sichtweise ist er gar der fünfte, weil von Ahlen zweimal einsprang und sowohl Friedhelm Funkel als auch Ricardo Moniz folgte. Als Spieler war Bierofka ein nimmermüder Antreiber im Mittelfeld, einer, der immer weitergerannt ist, auch bei hoffnungslosen Spielverläufen. Er war also ein Spielertyp, den der Trainer Bierofka sicher auch ganz gerne aufstellen würde, wenn er ihn nur fände in dem kunterbunt zusammengestellten Kader, den er nun betreut.

Er habe eine klare Vorstellung davon, wie die Mannschaft spielen wird, versprach Bierofka, der kundtat, er habe keine zwei Sekunden überlegt, ob er die Aufgabe annehmen sollte: "Sie muss enger stehen, aggressiver gegen den Ball arbeiten und Druck auf den Gegner ausüben." Das hatte freilich auch Benno Möhlmann schon vor.

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