2. Bundesliga:Absteigen lohnt sich

Darmstadt 98 - SpVgg Greuther Fürth

Zweite Liga als freudiges Event: Darmstadts Aytac Sulu (l.) bejubelt seinen Treffer gegen Fürth.

(Foto: dpa)

Die zweite Liga war früher mal eine Horrorvision, verschrien als Hort des schlechten Fußballs und der schlechten Stimmung. Inzwischen kann sie zur Selbstfindung dienen - und sogar Spaß machen.

Kommentar von Sebastian Fischer

Gleich zu Beginn des Urlaubs hat sich Torsten Frings über das Wetter beschwert. Es sei zu heiß, sagte der Trainer vom SV Darmstadt 98 am Samstag im Stadion am Böllenfalltor, ihm stand der Schweiß auf der Stirn. Außerdem sprach er von harter Arbeit und Kampf, nicht von Erholung. Immerhin gab er an, den Abend genießen zu wollen. Es spricht also durchaus etwas dafür, dass er eine schöne Zeit haben wird in dem inzwischen beliebten Feriendomizil, in das sich Fußballer gerne für eine Weile zurückziehen, um gestärkt und gesund zurückzukehren: die zweite Liga.

Zugegeben: Es kann dort natürlich auch unangenehm sein, eher Aktiv-Reise als Wellness-Kur. Der andere Bundesliga-Absteiger, der FC Ingolstadt, hat gleich mal 0:1 gegen Union Berlin verloren. Und auch die Darmstädter bekamen beim 1:0 am ersten Spieltag gegen Fürth gleich mal ordentlich auf die Socken. Doch danach wurde gejubelt am Bölle, und das passte dann wieder ins Bild: Es kann sich durchaus lohnen, in die Zweitklassigkeit abzusteigen. Ist nämlich schön da.

Das Unterhaus, so hat man die zweite Liga früher genannt. Das klang fast wie Unterhose und war doch nicht sexy. Denn die Liga galt als Horrortrip für feine Erstligisten, die fortan in Kleinstädten Fußball ohne Niveau und Zuschauer spielen mussten, manchmal am Montagabend. Doch inzwischen verbreitet die zweite Liga kaum noch Schrecken.

Mehr Zuschauer als in Frankreichs erster Liga

In ihrem 44. Jahr gastiert die zweite Liga in den Lieblingsstadien aller Fußballromantiker, in Darmstadt und Berlin-Köpenick, die 18 Klubs haben im vergangenen Geschäftsjahr den Wirtschaftsprüfern der Firma Deloitte zufolge so viel Geld umgesetzt wie nie, 529 Millionen Euro, und im Gegensatz zu den Kollegen in England wirtschaften sie ziemlich vernünftig. Es kamen im Schnitt mehr Zuschauer zu deutschen Zweitligaspielen (21747) als zu Begegnungen der französischen Ligue 1 (21080). Das Niveau ist gestiegen, in der vergangenen Saison arbeiteten in der zweiten Liga zwei der begehrtesten Trainer Deutschlands, Hannes Wolf in Stuttgart und Domenico Tedesco, der inzwischen aus Aue nach Schalke gewechselt ist. Und montagabends wird in Zukunft auch in der ersten Liga gespielt.

Wer in Stuttgart nachfragt, der hört die Menschen von der vergangenen Saison schwärmen wie vom Urlaub ihres Lebens. Der VfB, in der ersten Liga das Verlieren gewöhnt und vom Fortschritt entwöhnt, nutzte die zweite Liga für einen kompletten Umbruch in der sportlichen Leitung, auf der Trainerposition und in der Mannschaft, die Stimmung war so gut wie seit der Meisterschaft 2007 nicht mehr, jetzt wird schon wieder vom Angriff auf die Europapokalplätze gesprochen.

Der SC Paderborn ist zwar bis in die dritte Liga abgestürzt, doch die übrigen drei von vier Absteigern in den vergangenen beiden Jahren sind gleich wieder aufgestiegen. Für sie glich die zweite Liga einem Gast-Schuljahr in einer amerikanischen High-School-Mannschaft: Man ist überrascht, dass die Gegner doch ganz gut kicken können, ist aber trotzdem besser - und kommt mit schönen Erinnerungen, neuem Selbstbewusstsein und neuen Freunden wieder zurück. Wie gut es den Zweitligisten geht, sieht man auch daran, dass sich der existenzbedrohende Abstieg um eine Etage verschoben hat. Es ist jetzt dramatisch, in die dritte Liga abzusteigen, wo die Kosten für Spieler und Reisen fast dieselben sind, aber die Millionen aus Fernseh-Verträgen fehlen.

Nun fehlen in diesem Jahr große Namen, Stuttgart und Hannover, Karlsruhe und der TSV 1860 München. Der Zuschauerschnitt wird etwas sinken. Doch dass die Liga keinen klaren Aufstiegsfavoriten hat, weckt auch Ambitionen, in Nürnberg oder Braunschweig, in Bochum oder Berlin. Das weiß ja jeder Reisende: Selbst der schönste Urlaub ist nur deshalb reizvoll, weil er irgendwann wieder vorbei ist.

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