Sprachlabor (200):Wer das Erstgeburtsrecht hat

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Ein Korb voller Zucchini. Im Juli ist Erntezeit für diese Kürbisart. (Foto: dapd)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger hilft Erbsenzählern weiter.

"UND DANN VIELLEICHT NOCH EINEN ZUCCHINI." Wer das im Gemüsegeschäft sagt, läuft Gefahr, für einen Provinzler gehalten zu werden, möglicherweise verbessert ihn sogar jemand halblaut: "Zucchino, du Banause!" Wenn es nach unserer Leserin P. - und nicht nur nach ihr - geht, ist beides falsch, weil es in Italien nun mal la zucchina heiße und die Leute dort zucchine kauften. Wirklich? Einige Dizionari lassen lo zucchino , also "der Zucchino", durchaus gelten, und wenn man bei der altehrwürdigen Accademia della Crusca vorbeischaut, erfährt man Folgendes: "Il primo termine attestato è zucchino (1875), seguito a breve (1879) da zucchina ", woraus folgt, dass es beide Formen gibt und der Zucchino sogar das Erstgeburtsrecht hat. Die SZ lieferte in den letzten zehn Jahren 3 Zucchino, 0 Zucchina und 192 Zucchini. 22 Treffer erzielte die Variante Zucchinis, wobei die meisten auf eine Band namens Vitello Tonnato & The Roaring Zucchinis entfielen.

"ERBSENZÄHLERISCH" komme sie sich vor, schreibt Leserin M., wenn sie vermutet, dass es " ebenso profan wie unheimlich" hätte heißen müssen, wo bei uns " so profan wie unheimlich" stand. Bei Grimm findet man das Adverb ebenso überhaupt nicht, dafür die Theorie, dass auf eben so ein als folge, auf so hingegen ein wie : "Er ist eben so gelehrt als bescheiden" versus "Er ist so gelehrt wie bescheiden". Frau M. wird das nicht weiterhelfen, weswegen wir zum Duden schreiten. Dort finden sich unter ebenso und so Belegsätze, die einander derart gleichen, dass ein substanzieller Unterschied zwischen den zwei Vergleichspartikeln nicht festzustellen ist: "Mir geht es ebenso schlecht wie ihm" beziehungsweise "Er ist so reich wie geizig". Ein gradueller Unterschied besteht insofern, als ebenso stärker auf den Vergleich hinweist als das kleine so . Frau M. wäre demnach weniger erbsenzählerisch als hellhörig.

DER "HOHE TON" hat neben anderen Vorteilen auch den, dass die Zuhörer sich von ihm forttragen lassen und nicht lange fragen, ob das, was da so festlich klingt, auch richtig ist. Im Leitartikel stand kürzlich: "Aber der Terror will nicht weichen. Noch nicht. Irgendwann wird man seine Sinnlosigkeit verstanden haben." Alles Volk sprach Amen, Leserin K. ausgenommen. Ihrer Logik nach zeichnet sich Sinnlosigkeit "eben dadurch aus, dass ein Sinn nicht vorhanden ist, der folglich auch nicht verstanden werden kann". Es müsse lauten: "Irgendwann wird man verstanden haben, dass der Terror sinnlos ist." Gegenfrage: Steckt nicht genau dies in dem Wort Sinnlosigkeit ?

© SZ vom 25./26.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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