Sprachlabor (247):Unterschiedliche Kaliber

Brüder Grimm

Das Denkmal der Brüder Grimm in Kassel, Hessen.

(Foto: dpa)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger ist seltsam berührt.

GEWISSE KÄMPFE sollte man verloren geben und sich trollen. Eines dieser Gefechte gilt dem Unterschied zwischen mehrfach und mehrmals . Wer nur halbwegs regelmäßig die Radio- und Fernsehnachrichten hört, macht sich über den Untergang von mehrmals keine Illusionen mehr, hört vielleicht selbst schon darüber hinweg, wenn es statt "Wie Merkel mehrmals betonte" durchgehend "Wie Merkel mehrfach betonte" heißt. Nun wird freilich schon bei Grimm mehrfach auch im Sinn von mehrmals geführt, doch könnte der dort zitierte Beleg "sein betragen hat schon mehrfach anlasz zur unzufriedenheit gegeben" auch so gedeutet werden, dass es nicht mehrere aufeinander folgende Anlässe waren, sondern mehrere Anlässe unterschiedlichen Kalibers. Im Lauf der Zeit haben mehrfach und mehrmals sich so etabliert, dass sie für Gleichzeitigkeit und Ungleichzeitigkeit stehen, was der Satz "Er hat sich das Bein mehrfach gebrochen" mustergültig illustriert. Dieser mehrfach/mehrmals -Konflikt hat bei uns ein kurioses Gebilde gezeitigt, indem über eine Altenpflegerin, die mehrmals tote Heiminsassen fotografiert hatte, berichtet wurde, sie habe "mehrfach verstorbene Altenheimbewohner fotografiert". Einige Leser fragten, wie krank man sein müsse, um mehrfach sterben zu können. Einer von ihnen meinte allerdings, es reiche völlig, "einmal zu sterben", womit der Sieg von mehrfach ein weiteres Mal bewiesen wurde.

WENN ARTIKEL ÜBER AUTOS technische Fehler aufweisen, ist das bitter, und so sei denn weitergegeben, worauf Leser L. hinweist: dass in Verbrennungsmotoren nicht die Zylinder "auf und ab rasen", sondern die darin befindlichen Kolben. Im selben Text war von "wuchtigen SUVs" die Rede, sie sich "durch Städte drängeln, die aussehen wie Geländewägen, aber keine sind". Was SUVs sind, soll uns egal sein, aber dass Städte heutzutage wie Geländewägen aussehen, berührte nicht nur Leser Dr. L. seltsam. Wir haben hier den an sich simplen Vorgang eines Relativsatzes, dessen Relativpronomen die sich in Genus und Numerus seinem Bezugswort im Hauptsatz, dem Antezedens, anschmiegen will. Dummerweise stehen dort zwei Antezedentien, die SUVs und die Städte, und so kommt es zu leicht peinlicher Komik. Eduard Engels präsentiert in seiner wundersamen "Deutschen Stilkunst" den Satz: "Gestern Abend fand ein Ball beim Herzog statt, der sehr voll war." Engels dazu: "Aber, Herr Herzog!"

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