Sprachlabor (272):"Um zu versinken"

Goethe-Figuren auf dem Uni-Campus

Bunte Goethe-Figuren stehen am 10. Juni 2014 auf dem Gelände der Goethe-Universität in Frankfurt am Main (Hessen).

(Foto: Roland Holschneider/dpa)

Die unbedachte Verwendung der Konjunktion "um - zu" kann unter Umständen zu großen Albernheiten führen. Ihre Verwendung ist komplizierter als man denkt. Das zeigt sich, wenn man sich einige Beispiele ansieht.

Von Hermann Unterstöger

NATÜRLICH KANN DIE unbedachte Verwendung der Konjunktion um - zu große Albernheiten bewirken. Etwa: "Karl ging in die Stadt, um dort überfahren zu werden." Dass Karl nichts weniger wollte, als überfahren zu werden, ist anzunehmen. Einen vergleichbaren Nichtwillen unterstellt Leser St. den Fußballern von Manchester City, von denen er erfuhr, dass sie das Achtelfinale erreichten, "um dort am FC Barcelona zu scheitern". Angesichts dessen, dass dieser Finalsatz jegliche Absicht vermissen lässt, fragt Herr St., ob er die Zeitung lese, um sich zu ärgern. Da sei Gott vor! Indessen ist auch dieses Sprachsegment nicht frei von Untiefen. Der Regel, dass mit um - zu eine Absicht ausgedrückt werden soll (Karl fastete, um abzunehmen), steht die Freiheit gegenüber, auch unbeabsichtigte Folgen so anzuzeigen. Walter Jungs Grammatik belegt das mit dem Satz: "Er verschwand, um nicht wieder gesehen zu werden", rät aber zum vorsichtigen Gebrauch dieses Stilmittels. Die Dudengrammatik (1959) findet, dass so ein Anschluss besondere Ausdruckskraft besitze, wenn "eine Schicksalsbestimmung ausgedrückt werden soll". Sie stützt sich dabei auf Goethes Eintrag über sein letztes Treffen mit Schiller: ". . . so schieden wir vor seiner Haustüre, um uns niemals wiederzusehen." (Damit soll keineswegs angedeutet werden, dass auch im Fall Manchester vs. Barcelona das Schicksal mitgespielt hätte.) Harald Weinrich handelt den Komplex auf hoher Ebene, aber mit ähnlichem Ergebnis ab. Sein Beispielsatz: "Sie kam nach Hause, um festzustellen, dass ihr Mann sie verlassen hatte." Die Erläuterung: "Ein Ziel braucht also nicht unbedingt vom Handelnden intendiert zu sein. Es kann mit um - zu auch ein ,Ende' angezeigt werden, das nicht als ,Zweck' intendiert ist." Dieses Ende muss ja nicht unbedingt ein "dickes" sein, wie ein Zitat aus Hauptmanns "Bahnwärter Thiel" beweist: " Die Sonne, welche soeben unter dem Rande mächtiger Wolken herabhing, um in das schwarzgrüne Wipfelmeer zu versinken, goss Ströme von Purpur über den Forst."

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