Sprachlabor (239):So viele Ausnahmen

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Eine Frau liest in einer Ausgabe des Wörterbuchs. (Foto: dpa)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger nimmt sich exotischer Fremdwörter und schräger Sätze an.

BEI DER DEKLINATION des attributiv verwendeten Adjektivs gibt es dermaßen viele Ausnahmen, dass eine ältere Grammatik dafür eine Menge Unterkapitel benötigt. Eines davon behandelt die Deklination mehrerer attributiver Adjektive, ein Thema also, das genau geregelt zu sein scheint. Es gilt die parallele Beugung, etwa nach diesem Muster: Bei frischem, gut eingeschenktem und von anderen bezahltem Bier fühlte Max sich am wohlsten. Da Leser Sch. sich dieser Regel verpflichtet weiß, fand der Passus "mit großem pädagogischen (und polizeilichen) Aufwand" sein deutliches Missfallen. Im Kern ist ihm zuzustimmen, doch sagt die erwähnte Grammatik auch, dass bei Maskulina und Neutra im Dativ Singular das zweite Adjektiv "aus lautlichen Gründen" oft schwach gebeugt wird. Sie belegt das mit Stellen wie "auf schwarzem hölzernen Sockel" (Carossa) und "in ewigem tödlichen Kampfe" (Hesse). Es könnte jedoch leicht sein, dass die Herren Dichter hier der alten Regel folgen, wonach das zweite Adjektiv schwach gebeugt wird, wenn es mit dem Substantiv einen Gesamtbegriff bildet (bei frischem bayerischen Bier), wenn sie nicht überhaupt dem Köhlerglauben anhingen, dass mit dem ersten "m" der Dativ hinlänglich gekennzeichnet ist. In diesem Fall müsste man sie nachsitzen lassen.

SELBST UNTER DEN FREMDWÖRTERN gibt es noch ausgesprochene Exoten, man denke nur an Anthidrotikum, pulpös oder Humerale. Das Verb ventilieren hat ebenfalls etwas leicht Preziöses an sich, weil es einerseits die banale Bedeutung lüften hat, andererseits meint, dass etwas geprüft, erörtert, überlegt wird. Leserin Sch. ist das bekannt, doch als sie bei uns las, dass bei Metro die Idee einer deutschen Warenhaus AG "ventiliert" werde, plädierte sie dafür, statt des vagen Fremdworts eines der griffigeren und präziseren deutschen Verben zu verwenden. Das französische ventiler bedeutet unter Bergleuten übrigens so viel wie bewettern, ein Vorgang, der nicht nur den Köpfen bei der Metro Group guttut.

SÄTZE GIBT ES, die versteht man sofort, obwohl sie schräg konstruiert sind. Leser R. verfing sich in diesem Gebilde: "Breuer, Ackermann und Fitschen suchen jeder ihren eigenen Weg." Seitdem quält ihn die Frage, ob jeder von den dreien seinen eigenen Weg sucht oder ob sie gemeinsam, um nicht zu sagen selbdritt, ihren Weg suchen, den dann jeder . . . Ewiges Rätsel Deutsche Bank!

© SZ vom 01./02.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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