Sprachlabor (90):Nur ein Flüchtigkeitsfehler

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger über Größen und Pseudonyme.

EIN VERTRACKTER FALL ereignete sich kürzlich in Bangkok. Dort war der Abt eines buddhistischen Klosters nach langer Abwesenheit zurückgekehrt, und die Freude darüber bewirkte folgendes: "Ein gutes Dutzend" wichtiger Leute "machen ihm seine Aufwartung". Leser B. hat mit bewährt scharfem Auge den Kern des Problems erkannt: Entweder habe es die Autorin der Notiz versäumt, analog zum "Dutzend" die Singularform "macht" zu verwenden, oder aber sie habe geglaubt, die Aufwartung sei Sache des Abtes und nicht der ihn besuchenden Honoratioren. Zugunsten der Kollegin nehmen wir an, dass ihr ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen ist und dass sie schon wusste, was es mit der Aufwartung auf sich hat. Das ist eine in Tat und Wort leicht altertümliche Geste der Ehrerbietung, deren Kern sich aber erhalten hat, beispielsweise wenn man in diesen Tagen halb gravitätisch, halb ironisch fragt: "Kann ich vielleicht mit einem Gläschen Punsch aufwarten?"

Tagung Rat fuer Deutsche Rechtschreibung

Ein Duden der deutschen Rechtschreibung liegt in Glücksburg auf einem Brett des Wortspiels "Scrabble" inmitten von Buchstaben-Spielsteinen.

(Foto: ag.ddp)

DAS AUFTRUMPFENDE Attribut "aller Zeiten" hat eine Menge hartnäckiger Gegner, ist aber allem Anschein nach resistent sowohl gegen sachliche Einwände als auch gegen Spott und Hohn. Man kann sie als Angeberei durchgehen lassen, dann hat sich's erledigt. Man kann aber auch ihre faktische Schwäche benennen, nämlich dass sie die Zukunft in ihre Protzerei einbezieht, und was die Zukunft bringt, weiß man eben nicht. Insofern hat Leser F. recht, wenn er Florian Henckel von Donnersmarck noch nicht zum "größten deutschen Regisseur aller Zeiten" ernannt sehen will. Seinem Gefühl nach könnte uns die Zukunft durchaus mit einem noch größeren, womöglich gar noch längeren deutschen Regisseur überraschen.

MARK TWAIN war in einer Rezension immer als Twain bezeichnet worden, so als wäre Twain sein Nachname. In einem Leserbrief wurde darauf verwiesen, dass es sich um ein zweiteiliges Pseudonym handle, vergleichbar dem Namen Sitting Bull, bei dem man ja auch nicht einfach das Sitting weglassen könne. Leser v. C. erinnert nun an die Ähnlichkeit der vorderen Pseudonymhälfte mit dem echten Vornamen Mark/Marc und plädiert dafür, bei irriger Auffassung des ganzen Pseudonyms Nachsicht zu üben. Mark Twain kommt daher, dass die Lotsen auf dem Mississippi die Fadentiefe des Flusses mit "Mark one, mark twain" (statt "two") ausriefen. Wussten Sie übrigens, dass hinter dem Pseudonym "Bom" gleich vier Clowns stecken: F. Cortesi, Mechislaw Antonowitsch Stanewsky, Nicolay Josifowitsch Viltzak und N. A. Kamsky? Der Grund: Der Name "Bom" gehörte dem russischen Staatszirkus.

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