Sprachlabor (260):Nicht von schlechten Eltern

176. Oktoberfest - Toiletten-Wegweiser

Ein Toiletten-Engelchen weist auf dem Oktoberfest auf der Theresienwiese in München (Oberbayern) mit Pfeil und Bogen über dem Festgelände den Weg.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger klärt Sachverhalte auf.

WIE PEINLICH übertriebene Etikette wirkt, zeigt die vermeintlich zierliche Floskel "Ich müsste mal für kleine Mädchen", die den Weg dorthin weisen soll, wohin nach einer älteren und ähnlich peinlichen Floskel "der Kaiser zu Fuß geht". Es ist aber dieser Ort von solcher Beschaffenheit, dass er gern euphemistisch umschrieben wird, und das dafür taugliche Vokabular reicht vom "Örtchen" über die "Befreiungshalle" bis zum "Locus iste". In einem Feuilletontext über Oper im Kino wurde besagter Ort "Klo" genannt, was Leser S. dazu bewog, uns mehr "Ausdrucksstärke" anzuraten. Gewiss, "Toilette" ist der anerkanntere Terminus: sanft verschleiernd und doch sachdienlich. Andererseits ist das "Klo" ja auch nicht von schlechten Eltern. Hinter dieser Kurzform taucht das altfranzösische Wort closet (abgeschlossen) auf, das seinerseits auf das lateinische clausus zurückgeht, von dem aus sich allerlei durchaus honorige Perspektiven auftun. So gesehen ist das "Klo" bei einem der populären Kultur gewidmeten Text womöglich gar nicht so verwerflich.

ALS VOR JAHR UND TAG gemeldet wurde, dass Franka Potente "zum Teil" in Los Angeles wohne, wollten einige Leser wissen, wann die übrigen Teile nachzögen. Jetzt hieß es von dem Anthropologen Constantin von Barloewen, er sei in Argentinien geboren und dort "teilweise" aufgewachsen. Man muss sich auch diesmal keine Sorgen machen: Der Mann war immer ganz.

WENN ES IM RADIO heißt: "Und nun eine kurze Unterbrechung", weiß man, dass es nach der Stau- oder Geisterfahrerwarnung wieder flott weitergeht. Unter diesem Aspekt, und nicht nur unter ihm, hat Leser K. recht, wenn er zu der Formulierung "Unterbrechung der Schwangerschaft" anmerkt, dass eine Schwangerschaft nur ab-, nie jedoch unterbrochen werden könne.

"FALSCHE FAKTEN" hält Leser Dr. H. für ein Unding. Seine auf Wahrheit zielende Frage lautet: "Ist nicht ein Fakt(um) per se richtig, weil tatsächlich geschehen (factum est)?" Das leuchtet ein, und demnach wären Fakten allenfalls dann falsch zu nennen, wenn sie auf einen Sachverhalt nicht passen, also quasi am falschen Ort sind. Zum Sachverhalt vielleicht noch dieser Fund aus einem Lexikon: "Der Satz ,Caesar hat den Rubikon überschritten' bringt den Sachverhalt zum Ausdruck, dass Caesar den Rubikon überschritten hat." Schön, was?

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