Sprachlabor (222):In ihrer ganzen Schönheit

Sigmund Freud am Schreibtisch arbeitend, Museum London

Das Foto zeigt Sigmund Freud an seinem Schreibtisch in seiner Londoner Wohnung im Sommer 1938.

(Foto: Reuters/Freud Museum London)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger erklärt Herkunft, Schatten und ein seltsames Wort.

SIGMUND FREUD erzählt in seinen "Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse" von einer sozialdemokratischen Zeitung, die über eine Festlichkeit berichtete und dabei meldete, dass man unter den Gästen auch seine Hoheit, den "Kornprinzen", bemerkt habe. Anderntags musste sich das Blatt entschuldigen. Dabei passierte dies: "Es hätte natürlich heißen sollen: den Knorprinzen." Unter Zeitungsleuten dient diese Schnurre als Warnung vor allzu eilfertig beflissenen Korrekturen, und so wird uns Leser St. sicher nicht böse sein, wenn wir die kürzlich angekündigten "Popowetzer Tänze" von "Alexander Dorodin" in ihrer ganzen Schönheit noch ein wenig stehen lassen. Diese Tänze stammen aus Borobins Oper "Früst Igor", genauer gesagt aus dem Feldlager der Popowetzer, in deren Gewalt sich Igor samt seinem Sohn Wladimir, dem Knorprinzen, befindet.

ÜBER BEETHOVEN ging das Gerücht um, er sei ein natürlicher Sohn Friedrich Wilhelms II., also auch eine Art Kornprinz. Das stimmte ebenso wenig wie die Vermutung, er sei von Adel gewesen. Das "van" in seinem Namen ist, wie Leser W. weiß, ein im Niederländischen/Niederdeutschen gängiger Herkunftshinweis. Herr W. lässt uns das wissen, weil der Limburger Bischof bei uns als Kirchenfürst "aus dem Geschlecht derer van Elst" und als Adeliger bezeichnet worden war. "Beethoven" soll so viel wie "Rübenacker" bedeuten. Franz-Peter Tebartz-van Elst ist ebenfalls bäuerlicher Herkunft, doch waren, wie die drei Ähren in seinem Wappen andeuten, seine Vorfahren wohl keine Rübenbauern.

BEI EINER VERSCHATTUNG muss man nicht unbedingt an einen auffälligen, eine dubiose Gewebsveränderung anzeigenden Bereich auf dem Röntgenbild denken. Immerhin führen auch Sonnenschirme oder Hutkrempen zu Verschattungen. Dessen ungeachtet erntete unser Kritiker, der bei dem Tenor Jonas Kaufmann "eine veritable Verschattung" zu hören vermeint hatte, von unserem Leser R. das leicht giftige Kompliment, an ihm sei ein Lungenfacharzt verloren gegangen.

"SÄCHSISCHES DAGBLADD" nennt Leser P. die SZ, weil darin das Wort "verhohnepipeln" vorgekommen sei. Nun, seltsam ist das Wort allemal. Es hängt mit den Hohlhippen zusammen, deren Verkäufer auch die Kunst des Lästerns beherrscht haben sollen. Luther an seinen einstigen Freund und späteren Gegner Hieronymus Emser, den er "Bock zu Leipzig" nannte: "Vnd rhümest dich doch / du wöllest leiden als ein Gottes Priester / mein holhippellen . . ."

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