Sprachlabor (234):Ein unlösbares Problem

Sprachlabor (234): Eine Brille liegt auf einer Ausgabe des Dudens über den Begriffen rund um das Wort Steuer.

Eine Brille liegt auf einer Ausgabe des Dudens über den Begriffen rund um das Wort Steuer.

(Foto: AP)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger kommt auf den Kern.

MIT GROSSER FREUDE erinnert sich unser Leser Dr. W.-K. der Zeit, als in der SZ die mit einem sinnlosen Apostroph versehene Wies'n durch die bairisch vernünftige Wiesn ersetzt wurde. Er knüpft daran die Hoffnung, dass zu seinen Lebzeiten auch die in seinen Augen falsche Einkommenssteuer durch die richtige, jedenfalls amtlich gültige Einkommensteuer abgelöst wird.

Wir haben es hier mit einem ebenso alten wie offenkundig unlösbaren Problem zu tun, wobei sich die Wörterbücher längst kommod eingerichtet haben. Um den Duden als Muster zu nehmen, so heißt es dort: "Einkommenssteuer, fachspr. auch Einkommensteuer." Ein Blick in den Grimm zeigt, dass die meisten der Gewerbe- Komposita auf dreifache Art gebildet werden, und zwar nach diesem Beispiel: "Gewerbe-, Gewerb-, Gewerbssteuer." Daraus resultiert wohl die Lässigkeit der deutschen Sprachgemeinschaft, die in ihrer Mehrheit den Behörden ihr Behördendeutsch lässt, privatim aber auf dem -s beharrt.

"Im Kern", argumentiert Herr W.-K., "geht es jedoch um ein Missverständnis im Gedanklichen: Nicht die Besteuerung des Einkommen s liegt der Wortbildung zugrunde, sondern die Steuer auf (wen oder was) das Einkommen, den Mehrwert, die Zweitwohnung (also stets Akkusativ). Immer aber, wenn der Akkusativ im Hintergrund der Wortzusammensetzung steht, fehlt natürlich das Genitiv-s, siehe Gewichtheber usw." Dem könnte man entgegenhalten, dass erstens in amtlichen Texten, etwa im Reichsgesetzblatt, der Begriff Einkommensbesteuerung durchaus zu finden ist und dass zweitens die meisten Leute die Steuern als Besteuerung ihres Hab und Guts verstehen.

Es geht aber, um Dr. W.-K.s Kern einen anderen Kern entgegenzusetzen, nicht um Genitiv oder Akkusativ, sondern um das Fugenelement -s, das als Gleitmittel zwischen den Bestandteilen zusammengesetzter Wörter steht. Der Einsatz dieses und anderer Fugenelemente, die oft nur dem Wohlklang dienen, folgt diffusen Regeln. Wolfgang Fleischer schreibt in seiner Wortbildungslehre, dass das Fugenelement -s kein Flexionszeichen sei. Ja, es sei "überhaupt kein Zeichenmehr, sondern seine Setzung oder Unterlassung eine Frage des Sprachgebrauchs, der Konvention, der Üblichkeit - ohne funktionelle Motivation".

Herr W.-K. vermutet, dass ein liberales Blatt wie die SZ auf Amtliches pfeife. Wenigstens dieser Verdacht sollte jetzt ausgeräumt sein.

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