Sprachlabor (175):Ein gewaltiger Unterschied

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger übersetzt mit Geschick.

'Ein Klavier, ein Klavier!'

Der Band "Zitate und Aussprüche" aus der Duden-Standardreihe.

(Foto: ag.dpa)

ALS EINE AGENTUR meldete, "Teheran beharre auf sein Recht zur friedlichen Nutzung der Kernkraft", wurde das von vielen Blättern eins zu eins übernommen, also auch mit dem Akkusativ "auf sein Recht", obwohl es ein Leichtes gewesen wäre, den richtigen Dativ "auf seinem Recht" hineinzuredigieren. Unser Leser H. sammelt Beispiele dieser Art und ist auch bei uns fündig geworden: "Die FDP beharrt auf die geltende Regelung", "Man könne daher auf das Siezen bestehen". Der Akkusativ muss früher möglich gewesen sein, zumindest wird in Grimms Wörterbuch Melanchthon mit den Worten zitiert, jemand habe "von wegen schwachheit des haupts das studium nicht beharren" können. Wie stark die Kasus den Sinn verändern, kann man bei stehen auf beobachten. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ein Mädchen zum Burschen sagt: "Ich habe das Gefühl, du stehst auf mich", oder ob sie sagt: "Ich habe das Gefühl, du stehst auf mir."

DER VERSCHRÄNKTE RELATIVSATZ ist eine der schönsten Erfindungen des Lateinischen, und er erfordert einiges Geschick beim Übersetzen. Eine weitschichtig verwandte Konstruktion fand sich unlängst in einer Reportage über die Münchner Kirchturmuhren: "Bei denen rufen die Leute sofort an, wenn etwas nicht stimmt." Unser Leser K. konnte gar nicht genug darüber staunen, dass man in München bei Problemen die Kirchturmuhren anrufen kann, und sein Brief klang, als wolle er sich demnächst die Durchwahl zur Uhr im Alten Peter geben lassen. Der Satz hätte natürlich so lauten müssen: "Wenn bei denen" - also bei den Uhren - "etwas nicht stimmt, rufen die Leute sofort an."

MIT DEM KROETZ ist es zum Wahnsinnigwerden! Das heißt, nicht mit dem Dichter als solchem, sondern mit seinem Namen, und auch mit dem nur, wenn er ans Ende der Zeile zu stehen kommt. Erst dieser Tage war im Blatt wieder von ihm die Rede, und wieder musste er als Franz Xaver "Kroetz" vors Publikum treten, als schriebe er sich Kroëtz. Wie Piëch. Tut er aber nicht.

DIE EUROPÄISCHE UNION gleicht einem Floß, auf dem die einzelnen Länder mehr schlecht als recht stehen und bei dem es darauf ankommt, dass keins von ihnen zu sehr zappelt oder gar plötzlich abspringt. Um dieses Gleichgewicht ging es in einem Leitartikel, dessen Verfasser zwar die Gesetze der Politik beherrschte, nicht aber die der Mechanik. Denen zufolge ist ein Körper im Gleichgewicht, wenn sich bei ihm alle äußeren Kräfte respektive Drehmomente gegenseitig aufheben. Der Autor schrieb, dass ohne Großbritannien das europäische Gleichgewicht "ins Rutschen" geriete. Leser P. hält dagegen, dass das Gleichgewicht selbst nicht verrutschen, sondern allenfalls gestört werden könne. Ob Großbritannien rutschen kann, bleibt offen.

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