Sprachlabor (155):Die technische Seite des Problems

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger rät von dürftigen Geschenken ab.

DASS "ERSTER" UND "LETZTER" nicht steigerungsfähig sind, dessen ist Leser W. sicher, denn " dahinter kann ja nichts mehr kommen bzw. sein". Das ist richtig, doch ebenso richtig ist, dass es sich bei den von Herrn W. beanstandeten Stellen "Was Ersteres angeht" und "Zu Letzterem" nicht um Steigerungen handelt. Schon Adelung schreibt in seiner "Deutschen Sprachlehre", dass hintere, vordere, mittlere usw. "wie Comparative aussehen, ohne es zu seyn", und unter diesen Schirm stellen wir der Einfachheit halber hiermit auch erstere und letztere . So viel zur technischen Seite des Problems.

'Ein Klavier, ein Klavier!'

Der Band "Zitate und Aussprüche" aus der Duden-Standardreihe.

(Foto: ag.dpa)

Etwas anderes ist deren ästhetische Seite, also die Frage, ob man das bürokratisch klingende Wortpaar verwenden sollte oder doch besser nicht. Der Duden lässt es gelten, wenn damit auf die/den zuerst und zuletzt genannte/n von zwei Personen oder Gegenständen verwiesen werden soll: Ich besitze eine Perlenkette und ein Diadem; Erstere habe ich geerbt, Letzteres geklaut. Walter Jung bricht in seiner Grammatik für die beiden Wörter eine Lanze: "Sie lassen die Beziehungen bequemer überschauen als das sprachlich einwandfreiere dieser - jener ."

Leser W. tun die zwei Wörter nichtsdestoweniger weh, und er rät uns, sie nach dem Vorbild der Kollegen von der NZZ zu meiden. (Dort werden sie übrigens auch verwendet, etwa am 13. April: "Ersteres ist falsch, und Letzteres trifft nicht zu in China.") Um aber Herrn W. einen wackeren Streiter zur Seite zu stellen, so sei nun Eduard Engel das Wort erteilt. In seiner "Deutschen Stilkunst" polemisiert er mit Verve gegen erstere/letztere , wobei er unter anderem ins Feld führt, dass er für seine Person seit Jahren mehre statt mehrere schreibe, ohne dass sich je ein Leser daran gestoßen habe. Engel favorisiert diese/jene und gibt erstere/letztere mit folgendem Zitat aus der Straßburger Post der immerwährenden Lächerlichkeit preis: "Die Pferde seines Wagens gingen durch, Insasse und Kutscher wurden aus dem Wagen geschleudert, und die Räder des letzteren gingen ersterem über den Leib."

WENN ES WAHR IST, dass kleine Geschenke die Freundschaft erhalten, dann wird die Chemie zwischen dem alten und dem neuen Regierungschef von Schleswig-Holstein künftig stimmen, denn Torsten Albig erhielt von Peter Harry Carstensen zum Amtsantritt ein Glas Honig. Bei uns wurde die Gabe sowohl beschrieben als auch im Bild gezeigt, nur dass dabei immer von einem "Honigglas" die Rede war. Unser Leser Dr. Sch. findet so ein Geschenk eher dürftig und rät unserem Korrespondenten durch die Blume, demnächst im Restaurant beim Ober ein "Weinglas" zu bestellen . . .

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: