Sprachlabor (167):Die Sprache des Jägers

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger rückt die deutsche Sprache wieder ins rechte Licht.

DER "KÜMMERER" ist als einer, der sich auch ohne Auftrag um Menschen und Angelegenheit sorgt, in letzter Zeit zu großen Ehren gekommen, weswegen unsere Leserin Dr. Sch. nicht allzu viel Angst haben muss, dass Überschriften wie "Kümmerer gegen Kassenwart" - Thema war der Wahlkampf in den USA - missverstanden werden könnten. Die andere, schlechtere Bedeutung des Wortes Kümmerer entstammt der Sprache der Jäger. In deren Revier ist der Kümmerer ein Stück Wild, "das wegen eines alten Schusses oder wegen einer Krankheit abgemagert ist" (Grimm). Wie es im Inneren eines Kümmerers aussieht, hat keiner treffender beschrieben als der Barockdichter Barthold Heinrich Brockes, der zu einem entsprechenden Kupferstich Johann Elias Ridingers diese einfühlsame Verszeile schrieb: "Es sieht dem Kümmerer der Kummer aus den Augen . . ."

Ein Reh springt durch ein Getreidefeld. (Foto: Jens Büttner/dpa)

KÜRZLICH kam Leser E. hier mit der These zu Wort, dass der Satz "Die Rettung der Bank erfolgte, um einen Domino-Effekt zu verhindern" falsch sei, weil die Rettung keinen Willen haben könne. Dem treten nun die Leser B. und R. entgegen, und zwar deutlich. Um ihre Argumente kurz zusammenzufassen, so ist die Rettung zwar grammatikalisches Subjekt, nicht aber semantisches. Hinter ihr steckt vielmehr ein anderes Subjekt, das jedoch im Dunkel bleiben will - die Regierung etwa. "Die inkriminierte Finalkonstruktion", resümiert R., "ist also holprig, aber nicht absurd."

WO IMMER DER GENITIV auftritt, haut man ihm um die Ohren, dass er "dem Dativ sein Tod" sei. Unser Leser R. formuliert das anders. Er hat über die Monate hin im Blatt Genitive vom Schlag fern jeden Friedens oder nahe des Abzweigs gesammelt und jeweils nur ein Wort hinzugeschrieben, das freilich dick unterstrichen und mit einem Rufzeichen versehen: "Idiotengenitiv!"

MANCHMAL IST ABER DER DATIV dem Genitiv sein Tod, beispielsweise bei der Redewendung jemandes oder einer Sache Herr werden . Die Tatsache, dass hier der Genitiv stehen muss, ist vielfältig belegbar, am schönsten mit einer Stelle aus dem auch sonst sehr schönen Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter: "Gewöhnlich aber wirft man eine Abneigung auf etwas, das man nicht vollenden kann, als auf ein Ding, das uns widerstrebt und des wir nicht Herr werden können." Leser R. legt den Finger auf die bei uns gefundene Stelle "dem Problem Herr werden" und trägt uns seine Hilfe an, falls wir dieses Formulierungsproblems nicht Herr werden sollten.

DER STAMMHALTER kann in bestimmten Fällen zum Statthalter heranwachsen. Ansonsten ist die Formulierung, eine Familie habe sich einen "Sohn und Statthalter" gewünscht, "wenig sinnvoll" (Leser B.).

© SZ vom 22./23.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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