Sprachlabor (211):Die reine Lehre

Anglizismus Sprache Manager Führungsspitzen

Eine Frau liest in einem Duden.

(Foto: dpa)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger erklärt Präpostionalkombinationen, die Vernakularsprache und ein Verb.

VOR GUT EINEM JAHR ging es hier um die Frage, ob die tief stehende Sonne für einen Unfall nahe Cloppenburg mitverantwortlich sei. Unser Fazit damals: Schuld ist eine moralische Kategorie, weil der Mensch an Stelle des Bösen auch das Gute tun könne; es gehe also kaum an, die Schuld beziehungsweise Verantwortung für dies und das der Sachwelt zuzuschieben. Daran hat sich nichts geändert, und so ist auch unserem Leser W. zuzustimmen, nach dessen Ansicht es falsch ist, für die Resistenz gegen Cholera bestimmte Erbgut-Regionen verantwortlich zu machen: ursächlich müsse es heißen. So weit die reine Lehre. Die Praxis ist um einiges laxer und verwendet verantwortlich oft so, wie sie auch schuld sein gern verwendet: abseits moralischer Erwägungen. Jede Wette, dass in Evelyn Sanders' Roman "Schuld war nur die Badewanne" diese Wanne am Ende weder eine Schuld noch eine Verantwortung trifft.

OHNE BELEG behauptet Leser R., dass in letzter Zeit bei uns und in anderen Blättern Präpositionalkombinationen wie nach was oder von was (statt wonach,wovon ) überhandnähmen. Unser Archiv bestätigt das nicht. Trotzdem stimmt, was Herr R. grimmig schreibt: dass die getrennten Fügungen einst "als grund- bis saufalsch" gegolten hätten und noch heute unschön klängen. Die Grammatik gibt ihm recht, und auch die Besucher der Matthäus-Passion würden sich schönstens bedanken, wenn es statt "Wozu dienet dieser Unrat" plötzlich "Zu was dienet dieser Unrat" hieße.

DIE "VERNAKULARSPRACHE" kommt in der deutschen Presse ungefähr einmal pro Jahr vor. 2013 hat die SZ zugeschlagen, zur Freude unserer Leserin E., die im Internet erfuhr, dass damit ihr Dialekt gemeint sein könnte, das Bairische. Das ist nicht falsch, aber unscharf. Das Metzler-Lexikon Sprache definiert die Vernakularsprache als Alltagssprache, everyday language und langue familière , jedenfalls als den alltäglichen Bereich der Standardsprache. "Ihre Funktion ist die Sicherung sozialer Beziehungen", schreibt das Lexikon, und wenn Frau E. ihre sozialen Beziehungen zu uns jetzt gesicherter als früher sieht, war der schwierige Terminus ja gut eingesetzt.

"WER SCHMEISST DENN DA mit Lehm?", sang Claire Waldoff und fuhr fort: "Der sollte sich was schäm'n. / Der sollte doch was anders nehm'n / als ausgerechnet Lehm." Leser K. geht es weniger um das, womit geschmissen wird, als um das Verb schmeißen , das zu oft verwendet werde. Da woll'n wa künftig doch was anders nehm'n, nämlich werfen .

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