Sprachlabor (84):Da ist der Duden streng

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger geht mit der Thematik beherzt um.

ALLER HERREN LÄNDER haben, so unterschiedlich sie sonst sein mögen, eines gemeinsam: dass ihnen meistens das Dativ- n vorenthalten wird. Unser Leser Dr. M. wurde schon vor einiger Zeit in dieser Sache vorstellig, Anlass war ein Artikel, in dem die Spieler vom FC Bayern als "Männer aus aller Herren Länder" bezeichnet worden waren. Korrekterweise hätte es "aus aller Herren Ländern" heißen müssen, da die Präposition aus den Dativ nach sich zieht, was bei leichter Umstellung der Phrase von jedermann befolgt würde: aus Ländern aller Herren . Der Duden von 1934 ist in dem Punkt noch streng und lässt nur aus aller Herren Ländern gelten. Mittlerweile wird diese Fassung allüberall als "veraltet" geführt, als regulär gilt das eigentlich fehlerhafte aus aller Herren Länder . Und die Musi spielt dazu, will sagen, die Grammatik liefert das Rüstzeug. Die Dativendung, schreibt sie, könne bei Substantiven, die den Plural auf -er bilden, weggelassen werden, wenn sie von der regierenden Präposition durch einen Einschub getrennt werden. Freunde des Dativ- n müssen und sollten sich daran nicht halten.

Rechtschreibreform - Illustration

Modelleisenbahnfiguren von Arbeitern machen sich an dem Wort 'Rechtschreibung' zu schaffen.

(Foto: dpa/dpaweb)

QUOD LICET JOVI, non licet bovi, und deswegen sollte unsereiner, selbst wenn Goethe "die reingewölbteste Stirn" schreibt, nichtsdestoweniger bei dem Superlativ "reinstgewölbt" bleiben. In der Fachliteratur sind etliche Dichter und Denker mit solch falschen, jedenfalls steil anmutenden Superlativen vertreten; den Vogel schießt Schopenhauer mit der "schwerfälligsten, kleinkauendsten Weitschweifigkeit" ab. Das heißt, bei schwerfälligst gibt es kein Problem, das würde keiner durch schwerstfällig ersetzen wollen. Kleinkauend hingegen ist ein Kompositum, dessen zwei Teile noch keineswegs zu einem einheitlichen Begriff mit neuem, übertragenem Sinn verschmolzen sind, und so würde man es in kleinerkauend und kleinstkauend steigern. Unser Leser F. hat die Problematik an das bei uns gefundene Wort "engmaschiger" geknüpft, einen Komparativ, den er gern durch "engermaschig" ersetzt sähe. Dagegen ist wahrscheinlich nichts zu sagen, es sei denn, man zöge die Adjektive engherzig und engstirnig heran, bei denen Formen wie engerherzig oder engststirnig ja auch längst nicht mehr vorstellbar sind. Wie es aussieht, fährt am besten, wer mit der Thematik weitestherzig umgeht.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: