Sprachlabor (176):Brrr!

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Der Kopf von Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) als Detail des Goethe-Schiller-Denkmals in Weimar. (Foto: ddp)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger erklärt Fehler, die immer wieder von Lesern aufgegriffen werden.

MAN MUSS NICHT IMMER auf Goethe starren, aber ein gelegentlicher Seitenblick kann nicht schaden. In dem Gedicht "Der Gott und die Bajadere" nennt er den Gott einmal "Kenner der Höhen und Tiefen". Nun ist zwar Helge Schneider weder mit Goethe zu vergleichen noch mit dem Gott Mahadöh noch gar mit der Bajadere, aber deswegen hätte man noch lange nicht schreiben müssen, er existiere im Kulturbetrieb "seit mehr als 20 Jahren - mit vielen Aufs und Abs". Unser Leser B. sagt dazu "Brrr!", ein Votum, dem wir uns nach einigen Hins und Hers anschließen.

ALTE KAMERADEN - das sind Fehler, die von den Lesern immer wieder aufgegriffen werden, und zwar ohne Erfolg, denn sonst müssten sie ja nicht immer wieder aufgegriffen werden. Unsere Leserin P. präsentiert uns das in zahllosen Scharmützeln abgehärtete Begriffspaar introvertiert/extrovertiert , das dank dem markanten "o" eng verschwistert, also auch sprachlich richtig zu sein scheint. Dem ist aber nicht so, weil das Lateinische kein dem Wort intro (hinein) entsprechendes extro (hinaus) kennt. Als Frau P. Psychologie studierte, trichterte man ihr ein, dass der Jungschen Introvertiertheit die dito Extravertiertheit entspreche, und da sie nun dauernd extrovertiert lesen muss, fragt sie bang: "Habe ich da irgendeine Entwicklung verschlafen?" Prinzipiell nicht, liebe Frau P., aber dass das falsche extro in der Alltagssprache das richtige extra längst überrundet hat (bei Google steht es 301 000 zu 34 300), kann leider nicht verheimlicht werden.

WIE DIE NEONAZIS gestrickt sind, weiß man. Doch wie sind sie gebaut? Bei uns war, zum nicht geringen Erstaunen unseres Lesers W., von "verschwitzten, oberkörperfreien und über und über tätowierten Neonazis" die Rede. In der Tat stellt sich da die Frage, wohin die Brüder sich tätowieren lassen, wenn der Oberkörper fehlt.

DA WIR GRADE BEI DEN NEONAZIS sind, sollten wir uns anhören, was unser Leser E. zu sagen hat. Ohne für Beate Zschäpe im geringsten Partei zu ergreifen, moniert er die Überschrift einer kürzlich erschienenen Titelgeschichte. Dort hieß es: "Zschäpe wird als Mörderin angeklagt", was sich nach seinem Gefühl anhört, als sollten die Leser "gutmenschlich korrekt", also "moralisch formiert werden". Das ist etwas verwickelt formuliert, meint aber nichts anderes, als dass im Fall Zschäpe der Grundsatz der Unschuldsvermutung außer Kraft gesetzt werde. Mit dem Text des Aufmachers lässt sich dieser Verdacht indessen nicht stützen. Darin kommt das Wort Mörderin überhaupt nicht vor, sehr wohl aber die vielen Taten, die von der Anklage sehr wohl Morde oder Mordversuche genannt werden. Mit Gutmenschlichkeit hatte die Überschrift freilich nichts zu tun, eher mit dem Willen, es nur ja nicht an Plakativität fehlen zu lassen.

© SZ vom 24./25.11.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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