Sprachlabor (153):Aussagende Klangschattierungen

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger rückt sprachliche Fehlgriffe zurecht.

WO DIE MAROTTE beginnt, ist kaum je präzise festzustellen; nicht selten gehört etwas, das zur Marotte erklärt wird, durchaus noch zum Erlaubten und Üblichen. Unser Leser Dr. M. hält die Wendung sich sicher sein für eine Marotte, deren baldiges Aussterben er sich erhofft. Listig pariert er den Beispielsatz "Der Energieexperte Jörg Schindler ist sich sicher" mit der Frage "Wem ist er sicher?", doch könnte es sein, dass in genau dieser Frage die Antwort liegt. Der Unterschied zwischen "Bist du da sicher?" und "Bist du dir da sicher?" ist nicht markant, doch unüberhörbar, und es handelt sich um einen Unterschied in der Abtönung. Die erste Frage ist von nüchterner Deutlichkeit: Weißt du das genau?, wohingegen bei der zweiten Frage so etwas wie persönliche Besorgtheit mitschwingt, im Sinne von: Hast zumindest du für deine Person keine Zweifel an der Sache? Man kann das für redundant und entbehrlich halten, man kann aber auch glauben, dass derlei Klangschattierungen etwas aussagen und zudem die Sprache bereichern.

Vor 25 Jahren starb Bernhard Grzimek

Ein PR-Talent mit Marotten: Vor 25 Jahren am 12. März 2012 starb der  Zoologe und ehemalige Direktor des Frankfurter Zoos, Professor Dr. Bernhard Grzimek. Grzimek brachte Afrika in jedes deutsche Wohnzimmer, gewann einen Oscar und sammelte Riesensummen für den Naturschutz. Hier mit der kleinen Elefantin Zimba am 25. April1985 in Frankfurt bei der Ziehung der Gewinner eines Preisausschreibens.

(Foto: dpa)

WER MIT POPMUSIK nichts am Hut hat, sollte die ihr gewidmeten Rezensionen trotzdem lesen, und sei es nur, um bestätigt zu sehen, wie bestimmte Genres ihre eigenen, nicht selten höchst hermetischen Erklärtexte erzeugen. Bei aller Freude an dem oft krausen Insidervokabular grämt man sich dann doch hin und wieder über sprachliche Purzelbäume, die sich flippig geben und dennoch nichts anderes sind als Fehlgriffe. Dem neuen F.S.K.-Album "Akt, eine Treppe hinabsteigend" attestierte unser Feuilleton den "routiniert hingespieltesten Rumpelsound, den man seit langem gehört hat". Noch länger ist es her, dass man einen affektiert gebildeteren Superlativ lesen hat müssen.

EIGENMÄCHTIGKEIT wirft unsere Leserin D. dem Kollegen vor, der von der Wechselwirkung zwischen Banken- und Staatskrisen gesagt hatte, diese befeuerten sich gegenseitig : Es stünde ihm nicht an, "das Wort eigenmächtig mit dieser Bedeutung zu versehen". Frau D. hat insofern recht, als es nicht Aufgabe der Journalisten ist, das Deutsche neu zu erfinden; sie sollen nur so gut wie möglich damit arbeiten. Was aber, wenn im Rahmen dieser Enthaltsamkeit eine Sprachschöpfung unterläuft, die das gewohnte Gleis verlässt, vielleicht sogar durch ein kleines kreatives Funkeln auffällt? Dergleichen sollte erlaubt sein, und sei es in Texten über den ohnedies mehr als öden Euro-Rettungsfonds. Die Wendung, wonach Krisen einander befeuern, ist zwar ungewohnt, aber aus zwei Gründen zu rechtfertigen. Erstens nämlich hat das Verb befeuern die Bedeutung mit Brennstoff versorgen , und dass eine Krise der anderen sozusagen Öl ins Feuer gießt, ist doch nicht zu weit hergeholt. Zweitens kann man mit etwas Galgenhumor die Krisen durchaus als groteske Wettkämpfer sehen, die sich befeuern im Sinne von anfeuern und einander auf diese Weise zu Rekorden anstacheln, die ihrerseits unser Staunen nun seit Jahren befeuern, also mit Brennstoff versorgen.

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