Sprachlabor (129):Aus welchem Loch pfeift es nun?

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SZ-Redakteur Hermann Unterstöger äußert sich zu mutigen Frauen, einem besonderen Maler und einem rheinischen Begriff.

DER SSC NEAPEL pfiff, so jedenfalls unsere Wahrnehmung, im Spiel gegen Juventus Turin "aus dem letzten Loch", eine Musikproduktion, die Leser W. an dieser Stelle gern mit Laune erörtert sähe. Natürlich ließe sich aus der Alternative, ob jemand "auf" oder "aus" einem Loch pfeift, allerlei zweideutiger Schabernack gewinnen, was wir uns im Advent jedoch versagen. Üblicherweise wird die Redensart so erklärt: Wenn der Finger des Flötenspielers auf dem letzten Griffloch sitzt, ist es mit dem Getön bald zu Ende. Ein Blick in die Literatur zeigt jedoch, dass man es mit der Unterscheidung, ob auf oder aus besagtem Loch gepfiffen wird, zu keiner Zeit sehr genau nahm, und was die Suchmaschine angeht, so sagt sie uns, dass das spieltechnisch korrekte auf vom landläufigeren aus längst überholt wurde. Für das aus könnte man sogar Goethe anführen, doch begnügen wir uns für heute mit der Variante aus Mecklenburg: "Dat pippt bi em ut 't letzt Lock."

 Hier pfeift der deutsche FIFA-Schiedsrichter Knut Kircher. (Foto: dapd)

ES MAG WOHL mit so positiven Figuren wie Mutter Erde, Mutter Beimer oder Mutter Kirche zusammenhängen, dass auch die Mutter Courage vielerorts in besserem Ansehen steht, als sie das nach ihrer literarischen Herkunft verdient. Wie unser Leser S. anmerkt, war sie jedoch keine im guten Sinn couragierte Person, weswegen es auch nicht angehe, mutige Frauen der Gegenwart mit ihr metaphorisch zusammenzuzwingen. In der Tat ist die Mutter Courage bei Bertolt Brecht "eine gewissenlose Frau, die das Leben ihrer Kinder für den Profit als Marketenderin aufs Spiel gesetzt hat" (Herr S.), und der Doppelbeiname "Ertzbetrügerin und Landstörtzerin", den Grimmelshausen ihr anheftet, ist auch nicht gerade ein Ehrentitel.

MIT SORGE las Herr H. - und nicht nur er - in unserem Blatt, dass Georg Baselitz "seine Motive auf dem Kopf stehend malt". Eine Nachfrage in Baselitz' Atelier ergab, dass der Künstler dabei sehr wohl auf seinen Füßen steht, und zwar mit beiden Beinen.

HAT DER BÜRGER viel zu kamellen ? Bei uns wurde das bezweifelt, zur Irritation unseres Lesers Z., der dieses Wort nirgends findet. Der Sinn erschließt sich schnell, und nach diesem Sinn hätte der Bürger nicht viel zu reden, zu meckern, zu melden. Wie es aussieht, ist der Begriff ein rheinisches Gewächs. Als sich Kardinal Joachim Meisner einmal über ein modernes Kirchenfenster im Kölner Dom aufregte, schrieb der Tagesspiegel , dass Meisner zwar das geistige Oberhaupt des Erzbistums sei, "doch im Dom hat er nichts zu kamellen, wie es auf gut Rheinisch heißt". Das walte Gott.

© SZ vom 17./18.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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