Sprachlabor (187):Ab in den Zeugenstand

Pläne von Schwarz-Gelb - Deutsche Sprache

Zwei Schülerinnen schauen in einem Duden etwas nach.

(Foto: ag.dpa)

SZ-Redakteur Hermann Unterstöger erklärt die Besonderheiten.

"SCHREIBT DOCH BITTE nicht immer die Hälfte . . . sind , ist doch ein Singular." Das schreibt uns Leser Dr. B., und er bezieht sich dabei auf einen Gastbeitrag, dem zufolge in den USA "mehr als die Hälfte der unter 25-Jährigen mit einem Bachelor-Abschluss" arbeitslos "sind". Dass die Hälfte im Singular steht, ist unstrittig. Ebenso unstrittig ist freilich, dass bei Subjekten, die eine Menge von Personen oder Gegenständen einschließen (Gruppe, Handvoll, Reihe, Schar usw.), das Prädikat auch im Plural stehen darf. Da das Thema nicht ganz neu ist, sei in ressourcensparender Zweitverwertung wiederholt, was hier schon einmal dazu gesagt wurde: "In solchen Fällen lassen die Fachleute eine formal falsche ,Konstruktion nach dem Sinn' gelten und rufen dafür keinen Kleineren als Thomas Mann in den Zeugenstand: ,Eine Reihe von edlen und nüchternen Geistern haben den Rauchtabak verabscheut' (Lodovico Settembrini im ,Zauberberg')."

REDAKTION UND ANZEIGENTEIL sind getrennt, und das ist auch gut so. Dessen ungeachtet sei hier eine oft und oft geführte Klage Leser Rs. wiedergegeben. Sie betrifft die Eigenanzeige, wonach unser Service-Zentrum "zur Beratung und Entgegennahme von Familien- und Traueranzeigen" dann und dann geöffnet sei. Herr R. beharrt darauf, dass Anzeigen nicht beraten werden könnten, ja förmlich "beratungsresistent" seien. Es dürfte sich hier um ein Zeugma oder eine Syllepsis handeln, also um eine rhetorische Figur, bei der um der Bündigkeit willen ein Wort eingespart wird. Psalm 34,16: "Die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten, und seine Ohren auf ihr Schreien." In unserem Fall wurde ein über (Beratung über und Entgegennahme von Anzeigen) eingespart, und es sieht ganz danach aus, als sei da wieder mal am falschen Fleck gespart worden.

SPARSAMKEIT hatte, zu Leser T.s Irritation, auch den Satz "Kanzlerin hält Bundestagsmandat für unnötig, die SPD schon" beeinflusst. So, wie das dasteht, läuft es darauf hinaus, dass beide, Kanzlerin wie SPD, das Mandat für unnötig halten, die SPD aber noch ein bisschen mehr. Herr T. weiß, wie man aus der Sache heil hätte herauskommen können, nämlich indem man das schon statt auf unnötig auf halten für bezogen hätte: Kanzlerin hält Bundestagsmandat nicht für nötig, die SPD schon.

DER VERDACHT, Annette Schavan habe "absichtlich plagiiert", weckte in Leser D. die Frage, ob man auch unabsichtlich geistigen Diebstahl begehen könne. Seine Einsendung schrieb er jedenfalls dezidiert absichtlich.

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