Mein Deutschland:Versagen mit verheerenden Folgen

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Der politische Kabarettist Beppe Grillo beantwortet Fragen der Journalisten nach einem Treffen mit den Parlamentsabgeordneten seiner Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) am 5. April 2013. (Foto: AFP)

Eine wichtige Gemeinsamkeit in Italien und Deutschland.

Giovanni Del Re

Ist nun Deutschland auch vom Grillo-Virus angesteckt worden? Diese Frage stellen sich viele im politisch lahmgelegten Italien im Bezug auf die "Alternative für Deutschland", kurz AfD, die kommende Woche offiziell gegründet wird. Der von der Euro-Krise geweckte Unmut der Bevölkerung in vielen Ländern scheint immer weitere Kreisen zu ziehen. Was würde es für Europa und den Euro bedeuten, wenn die Gruppe um Bernd Lucke am 22. September ein ähnliches Wahlergebnis erzielte, wie Beppe Grillo im Februar in Italien? Eine Umfrage, wonach 26 Prozent der Wähler sich vorstellen könnten, AfD zu wählen, ist nicht beruhigend.

In Wirklichkeit überwiegen aber die Unterschiede. Lucke ist kein schreiender Ex-Komiker, der das gesamte politische System beschimpft, sondern ein vornehmer Wirtschaftsprofessor, der mit anderen Akademikern und Wirtschaftsvertretern kühl die vermeintlichen Nachteile der Währungsunion hervorhebt. Dass die Deutschen, die politische Stabilität und Besonnenheit schätzen, sich von wutschnaubenden Auftritten à la Grillo verführen lassen würden, ist mehr als fraglich. Eines ist aber sicher: sollte die AfD ein ähnliches Resultat wie Grillo einfahren, dann wäre das Aus für die gemeinsamen Währung wahrscheinlicher.

Es gibt aber vor allem eine wichtige Gemeinsamkeit: in beiden Ländern ist diese politische Entwicklung zu einem beträchtlichen Teil das Resultat des Versagens der Politiker. In Deutschland waren sie nicht imstande, weiten Teilen der Bevölkerung glaubhaft zu machen, dass die Rettung der Krisenländer im Kerninteresse Deutschlands liegt. In Italien war die Politik nicht in der Lage, die Bürger zu überzeugen, dass die Strukturreformen nicht wegen "Brüssel" oder "Deutschland" notwendig sind, sondern weil sie für die Zukunft des Landes dringend notwendig sind. Ein Versagen, dessen Folgen für alle verheerend sein könnte.

Giovanni del Re ist Korrespondent der Mailänder Tageszeitung Avvenire.

© SZ vom 06./07.04.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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