Mein Deutschland:Nicht nur ein Thema für die Dinnerparty

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Viele Briten werden sich eine eigene Immobilie bald nicht mehr leisten können.

Kate Connolly

Sollten Sie zu einer britischen Dinnerparty eingeladen sein, aber kein Konversationsthema haben - außer dem Dauerthema Wetter - dann wird ein Hinweis auf das Thema Hausbesitz die Gäste sicher in Schwung bringen. Das Thema ist eine nationale Obsession, das Sprichwort "Das Heim eines Engländers ist sein Schloss" sagt ja alles. Es scheint jedes Briten Ziel zu sein, ein Haus zu besitzen, und sei es noch so klein, feucht und dunkel.

Das undatierte Foto zeigt den Empfangsraum eines Show-Appartments in Number One Hyde Park in London. Nach britischen und russischen Medienangaben ist die teuerste Wohnung der Welt mit Blick über den Londoner Hyde Park an einen der reichsten Männer der Ukraine verkauft worden. (Foto: dpa)

Doch der Wirtschaftsabschwung, gepaart mit den sozialen Unruhen, die es jüngst in den Straßen der britischen Städte gab, hat dazu geführt, dass viele Aspekte des modernen Lebens auf der Insel zunehmend hinterfragt werden, und dazu gehört nicht zuletzt das Thema eigene Immobilie. Jüngst wurde berichtet, dass bald so wenige Briten wie nie seit Mitte der achtziger Jahre ein Haus besitzen werden - was hauptsächlich darauf zurückzuführen sei, dass die Leute mit den steigenden Immobilienpreisen nicht mithalten könnten und dass die Banken mit der Kreditvergabe vorsichtiger würden. Mieten, so sagen die Experten, werde somit immer alltäglicher. Sollte diese Voraussage sich als wahr herausstellen, wird es einen beträchtlichen sozialen Wandel geben und eines von Margaret Thatchers Hauptzielen in ihr Gegenteil verkehren, welches lautete sicherzustellen, dass so viele Briten wie möglich einen Zugang zu Immobilieneigentum haben.

Soziologen und Wirtschaftswissenschaftler fragen bereits, welche Auswirkung diese Veränderung auf die Nachbarschaften im Vereinigten Königreich haben könnte. Einige sagen voraus, dass die Verringerung der Eigentumsquote zum Auseinanderfallen der Nachbarschaften führen werde - und zwar weil Hauseigentümer sich tendenziell eher um ihre Umgebung sorgen, auch eher wählen gehen oder ehrenamtlich in der Nachbarschaft tätig sind und sich in der Schule ihrer Kinder engagieren als Mieter, die eher kurzfristig dächten. Andere wiederum behaupten, dass man mächtig umdenken müsse. Zudem sei Immobilienbesitz ohnehin negativ, nicht zuletzt weil er zu verringerter Mobilität führe, was die Arbeitslosenquote erhöhen könne. Das, so sagen sie, könnte in einer Rezession zur wirtschaftlichen Stagnation beitragen.

Weil sechs von zehn Deutschen Mieter sind (verglichen mit nur 30 Prozent der Briten), wird Deutschland nun als ein Beispiel gesehen, dem Großbritannien folgen könnte - oder zumindest als Beispiel, wie man Mieten positiv sehen könnte und nicht als sozialen Nachteil. Die Vorhersage, dass die Zunahme der Mietverhältnisse Großbritannien in ein Chaos stürzen werde, wird durch das Bild in Deutschland relativiert, das wohlhabend ist, eine niedrige Kriminalitätsrate aufweist, keine ernsten sozialen Probleme hat, und wo die Leute auch dann ihren Rasen mähen, wenn er ihnen gar nicht gehört. Möglicherweise ist einer der großen und wahrscheinlich entscheidenden Unterschiede, dass die Gesetze in Deutschland mieterfreundlicher sind, was die Menschen ermutigt, länger in ihren Wohnungen zu bleiben und ihnen mehr Schutz bietet als in Großbritannien, wo schurkische Hausbesitzer und eine befristete Mietdauer nichts Ungewöhnliches sind.

Sich von dem Snobismus zu befreien, der in Großbritannien mit Immobilienbesitz verbunden ist, könnte jedoch die größere Herausforderung sein. Hier haben Sie ein tolles Thema für die Dinnerparty - jedenfalls wenn Sie eine lebhafte Diskussion entfachen wollen.

An dieser Stelle schreiben Auslandskorrespondenten über Deutschland. Kate Connolly berichtet für den britischen Guardian aus Berlin.

© SZ vom 03./04.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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