Mein Deutschland:Mit Sicherheit am richtigen Ort

Freizeit im Mauerpark

Besucher im Mauerpark (Prenzlauer Berg).

(Foto: dapd)

Eine andere Spezies entdeckt den Berliner Osten für sich.

Eine Kolumne von Kate Connolly

Als ich vor 20 Jahren als Studentin nach Berlin zog, dachte ich, ich käme in einen düsteren Teil der Stadt. Ostberlin, vor allem Prenzlauer Berg, war laut meinem Reiseführer voll von Rentnern, Aussteigern und heruntergekommenen Mietshäusern. Kreuzberg dagegen, wo die meisten meiner Freunde hinwollten, schien viel hipper zu sein.

Aber bald änderte ich meine Meinung. In meinem Ofen fand ich die verkohlten Reste eines Tagebuchs, das ein Stasi-IM geführt hatte. Und mit der Zeit erzählten mir Nachbarn ihre Geschichten über ihr Leben nahe der Berliner Mauer. Ich las die Berichte von Menschen, die früher hier wohnten, angefangen mit jenem von Irina Liebmann über die ausgedehnte Überwachung von Regimegegnern durch die Stasi, bis hin zu Frederick Forsyths Erzählung über das Leben in der Schönhauser Allee als Angestellter der Nachrichtenagentur Reuters. Kurz, es war der coolste Platz Europas. Zwei Jahrzehnte später ist das Viertel so sehr gentrifiziert, dass man es nicht wiedererkennt. Die Coolness ist verschwunden. Bevor sie starb, klagte die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Bärbel Bohley über die polierten Namensschilder an den für die neuen Wahlberliner aufs Nobelste renovierten Wohnblocks. Die alten Bewohner sind mittlerweile Mittelklasse-Familien aus anderen Teilen Deutschlands und Europas gewichen.

Nun scheint - ironischerweise - eine andere Spezies den Osten Berlins für sich zu entdecken: Computer-Hacker und Aktivisten, die sich der Informationsfreiheit und -sicherheit verschrieben haben - vor allem aus den USA. Sie fühlen sich nicht als "Flüchtlinge", aber zumindest im Fall des Amerikaners Jacob Appelbaum - einem der bekanntesten Hacker der Welt - und der amerikanischen Filmemacherin Laura Poitras ist die Beschreibung gar nicht so weit hergeholt. Beide standen oder stehen Wikileaks-Gründer Julian Assange und NSA-Whistleblower Edward Snowden nahe. Beide haben sich für Berlin entschieden, weil sie sich dort sicherer fühlen als in ihrer Heimat. Poitras sinniert dabei schon mal über die Frage, wie eigenartig es ist, in der "ehemaligen Heimat der Stasi" zu leben, um die Überwachung durch Regierungen als gefährlich zu entlarven. Und Appelbaum will sich gar hier einbürgern lassen.

Kate Connolly berichtet für den Guardian und den Observer aus Berlin.

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