Mein Deutschland:Magische Städte und weite Felder

Es gibt für die deutsche Reiseindustrie noch viel Potential.

Alessandro Melazzini

Ich mag Deutschland, aber ich wollte einmal von allem hier Urlaub machen. Wirklich gelungen ist es mir nicht. Ich hatte eine siebentägige Pauschalreise bei einer großen deutschen Reiseagentur gebucht. Als ich auf Rhodos im Hotel ankam, schien es mir aber fast, als wäre ich in Frankfurt gelandet.

Statistisches Bundesamt zum Inlandstourismus

Ein Schild mit der Aufschrift "Zimmer frei" vor einem Ferienhaus in Ahrenshoop.

(Foto: dpa)

Die meisten Gäste waren Deutsche, sämtliche Kellner sprachen Deutsch, im Fernsehen liefen fast ausschließlich deutsche Sender und im Restaurant gab es statt Gyros und Ouzo meistens Wurst, Eier und riesige Sahnetorten. Das Abendessen war von 18 Uhr bis 21 Uhr vorgesehen. Wenn sich die Griechen an den Tisch setzten, hatten wir Gäste der deutschen Kolonie bereits den letzten Bissen Schwarzwälder Kirschtorte runtergeschluckt und konnten nun ins Bett gehen, um früh am nächsten Morgen die Liegestühle mit unseren Badetüchern zu besetzen. Von griechischen Gewohnheiten habe ich während dieser Reise wenig erfahren, umso mehr habe ich jedoch die deutsche Fähigkeit, alles zu planen, hautnah miterleben können.

Viele Deutsche glauben, dass sie Italien kennen, wenn sie ein paar Mal an den Gardasee, nach Riccione oder Rom gefahren sind. Nicht wenige, denen ich im meinem Alltag begegne, halten sich tatsächlich für Italien-Kenner. Sie fühlen sich berechtigt, an der italienischen Politik Anteil zu nehmen und von mir bei beliebigem Anlass eine Erklärung oder eine Entschuldigung dafür zu verlangen, warum denn dieser Berlusconi noch regiere.

Das Interesse meiner Landsleute an den Affären um deutsche Politiker mit zwei Familien oder einer 16-jährigen Geliebten hält sich dagegen in Grenzen. Doch sie nehmen Deutschland zunehmend als interessantes Reiseziel wahr. Seit Berlin wieder Hauptstadt ist, kommen immer mehr Touristen aus dem Belpaese hierher. Trotzdem finde ich, dass es noch viel mehr zu entdecken gibt. Magische Städte wie Görlitz, poetische Orte wie den Frankenwald oder die weiten Felder Schleswig-Holsteins: Für viele Touristen aus dem Süden sind diese Ziele noch kein Begriff. Es gibt also für die deutsche Reiseindustrie durchaus Potential zur Verbesserung. Was solche Reiseveranstalter schon perfekt meistern, nämlich Menschenmassen ins Ausland zu lenken, sollten sie auch umgekehrt intensiver betreiben, um die Welt als Gast nach Deutschland zu bringen.

An dieser Stelle schreiben Auslandskorrespondenten über Deutschland. Alessandro Melazzini arbeitet als Kulturkorrespondent für die italienische Tageszeitung Il Sole 24 Ore.

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