Mein Deutschland:Hass-Liebe mit Zukunft

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Eine Jacke mit dem Aufdruck "Italia" ist am 26.02.2013 an einem Marktstand in Rom für 10 Euro im Angebot. Italien droht nach der Schicksalswahl eine wochenlange Hängepartie bei der Regierungsbildung mit unabsehbaren Folgen für den Euro. Keines der politischen Lager hat in beiden Parlamentskammern eine ausreichende Mehrheit. (Foto: dpa)

Viel Deutschland im italienischen Wahlkampf.

Giovanni Maria Del Re

"Frau Merkel wünscht sich nicht, dass die Linken die Wahl gewinnen", hatte Italiens Ex-Premier Mario Monti gesagt, und das wurde der Aufmacher aller großen italienischen Zeitungen. "Quatsch, sie ist eher wegen Berlusconi besorgt", antwortete der Chef der Linken, Pier Luigi Bersani. Und Silvio Berlusconi? Der erklärte Berlin den Krieg: "Ich werde ganz Europa gegen Deutschland vereinen!" Vor der Wahl wurden in Italiens Medien täglich Zitate von deutschen Politikern veröffentlicht, die die Italiener anflehten, bitte nicht schon wieder Berlusconi zu wählen. Es hat nichts genützt - oder war vielleicht sogar kontraproduktiv und half dem Komiker Beppe Grillo.

Tatsächlich hat es so viel Deutschland wie dieses Mal noch nie in einem italienischen Wahlkampf gegeben, und angesichts der Euro-Krise ist zu erwarten, dass das so weitergeht. Die Italiener haben zwar durchaus erkannt, dass heutzutage in Europa nichts ohne Berlin geht - und haben auch nichts dagegen. Nur hätten sie in Krisenzeiten von den Deutschen erwartet, dass sie eine Führungsrolle übernehmen. Stattdessen haben sie den Eindruck gewonnen, von Berlin sei eine allzu zögerliche Haltung gekommen, zusammen mit der einseitigen Fixierung aufs Sparen - mit zu viel Belehrung und ohne richtige Anerkennung für die Opfer, welche die Italiener bringen mussten. Manche Medien beider Seiten waren da leider auch nicht immer hilfreich: die deutschen mit ihren "Südländer"-Klischees; die italienischen mit ihren Klagen über das "deutsche Spardiktat" und die "Blockiererin Merkel".

Ist also die deutsch-italienische Beziehung zerrüttet? Nein, ganz und gar nicht. Die Sorge, mit der die Deutschen die Wahl beobachtet haben, und die Aufmerksamkeit, die wir Italiener ihrer Meinung geschenkt haben, zeigt, dass die Euro-Krise die ewige Hass-Liebe unserer beiden Länder vielleicht sogar enger gemacht hat - und in jeder guter Beziehung müssen hin und wieder die Fetzen fliegen. Italien wird aber jetzt beweisen müssen, dass der Reformkurs weitergeht. Dann könnte das deutsch-italienische Duo sogar der eigentliche Motor für die Zukunft Europas werden. Es wird allerdings angesichts des Wahl-Schlamassels nicht leicht sein. Italien bleibt spannend - für Deutschland und die EU.

Giovanni Maria Del Re ist Europa-Korrespondent der Mailänder Tageszeitung Avvenire.

© SZ vom 27.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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