Mein Deutschland:Grundrechte sind gefährdet

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Monitore zur Viedeoüberwachung der Düsseldorfer Altstadt. (Foto: AP)

Im deutschen Wahlkampf hat der Abhör-Skandal bisher keine große Rolle gespielt.

Eine Kolumne von Kate Connolly

Mein Schwager aus Essen hat mir neulich angeboten, er könne geheime Dokumente an einen sicheren Ort bringen. Meine deutsche Familie hofft offenbar immer noch, dass ich auch in die NSA-Enthüllungen des Guardian eingebunden bin, die in den vergangenen Monaten so viel Wirbel ausgelöst haben. Leider (oder eher zum Glück) habe ich aber nichts mit diesen aufwendigen und manchmal ziemlich beängstigenden Recherchen zu tun. Ich liefere lediglich ein paar Analysen und Kommentare über die Auswirkungen in Deutschland. Tatsächlich interessieren sich die Briten aber ziemlich für die deutschen Reaktionen auf den Skandal - vor allem, weil sie so anders sind als die britischen.

In Großbritannien scheinen sich die Leute viel weniger darüber aufzuregen, dass die Geheimdienste, wie sie selbst sagen, die totale und allumfassende Überwachung des Internets und seiner Nutzer erlangen wollen. Viele Briten haben sich nach den Anschlägen der IRA und der al-Qaida daran gewöhnt, dass man für Sicherheit ein gewisses Maß an Privatsphäre aufgeben muss. Schon vor 15 Jahre konnte man in London an jeder Straßenecke in 20 oder mehr Überwachungskameras blicken - ohne den Kopf drehen zu müssen.

In Deutschland wäre das an den meisten Plätzen bis heute undenkbar. Die deutsche Perspektive ist eine andere. Die Erfahrungen aus zwei Diktaturen im vergangenen Jahrhundert haben die Gesellschaft mit einem tiefen Misstrauen gegen Schnüffler ausgestattet. Und anders als in Großbritannien, wo es keine Verfassung gibt, sieht das Grundgesetz die sorgfältige Prüfung von staatlicher Beobachtung vor.

Mich wundert deswegen, dass der Abhör-Skandal im Wahlkampf bisher keine größere Rolle spielt. Ausländische Geheimdienste haben deutsche Bürger unter Umgehung des Grundgesetzes ausspioniert, mutmaßlich mit Billigung des BND. Trotzdem habe ich bisher noch keine konkreten Vorschläge von irgendeiner der großen Parteien gehört, wie sie dafür sorgen wollen, dass die deutschen Datenschutzgesetze eingehalten werden. Dabei sind die deutschen Bürgerrechte gerade genauso gefährdet wie die in Großbritannien und den Vereinigten Staaten.

K ate Connolly berichtet für den Guardian und den Observer aus Berlin.

© SZ vom 31.08./01.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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