Mein Deutschland:Ein Apfel täglich tut es auch

150 Apfelsorten in einem Garten

Ein Korb mit verschiedenen Apfelsorten.

(Foto: dpa)

Der sinkende Standard des englischen Gesundheitssystems sorgt für heftige Diskussionen.

Eine Kolumne von Kate Connolly

Ich kenne einen Arzt in Hamburg, der an Wochenenden nach England fliegt, um dort für den National Health Service (NHS) in einem britischen Krankenhaus zu arbeiten. Das ist für Hunderte deutsche Ärzte ein schöner Nebenverdienst. Er erzählte mir, dass er den NHS sehr schätze, aber dennoch zögern würde, sich oder seine Familie dort behandeln zu lassen - außer im Notfall. Eine Blinddarmoperation, das sei okay, meinte er. Aber eine Hüftoperation oder eine Diabetes-Behandlung? Nein. Alles andere als eine Notfallversorgung bedeutet beim NHS: lange Wartezeiten und geringe Qualität ohne ausreichende Nachsorge.

Gerade wird die Institution NHS, gegründet nach dem Zweiten Weltkrieg, um allen Briten die gleiche Krankenversorgung zu bieten, in ihrer Existenz bedroht. Nach der Wirtschaft ist der Umbau des NHS wohl das größte politische Thema in Großbritannien. Und obwohl die Regierung Cameron, die nächstes Jahr vor Neuwahlen steht, es nicht zugeben will, wird der NHS wahrscheinlich seinen Charakter verlieren. So wie alle anderen Gesundheitssysteme in der westlichen Welt wird auch das britische durch die Vergreisung der Gesellschaft und die zunehmenden Erwartungen der Patienten herausgefordert. Der politische Wille, immer mehr in einen Service zu pumpen, der aus sich selbst heraus keine Finanzen generiert, sondern diese lediglich verschlingt, nimmt ab. Zu Beginn des Monats schlug die Regierung nun vor, die Krebsversorgung outzusourcen. Da ist es vielen Briten kalt den Rücken heruntergelaufen. Nicht ein Tag vergeht, ohne dass der sinkende Standard der Gesundheitsversorgung in den Medien diskutiert wird. Symptomatisch dafür ist, dass manche Briten übergegangen sind zur Selbstbehandlung.

Zwei interessante Konsequenzen ergeben sich daraus: In Großbritannien gibt es nur wenige Hypochonder. Und die Patienten haben großen Respekt vor der Zeit der Ärzte, da sie meist nur fünf Minuten bei ihnen sitzen. Ich schreibe mir vor einem Arzttermin immer eine Liste meiner Wehwehchen, um nur ja nichts zu vergessen. Der Durchschnittsdeutsche geht pro Jahr etwa 16 Mal zum Arzt. Der Brite zweimal. Das Sprichwort "An apple a day keeps the doctor away" ist nicht umsonst eines der am meisten zitierten in England.

Kate Connolly berichtet aus Berlin für den Guardian und den Observer.

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