Mein Deutschland:Der Sieg unserer "Poilus"

WWI shell craters are seen below the Douaumont cemetery with its Abri 320 a large four shelter French bunker system near Verdun, northeastern France

Granattrichter unterhalb des Friedhofs von Douaumont in der Nähe von Verdun, im Nordosten Frankreichs, am 30. März 2014 zu sehen. Das Jahr 2014 markiert den 100. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs.

(Foto: REUTERS)

So viel Zärtlichkeit für einen so entsetzlichen Krieg.

Eine Kolumne von Pascale Hugues

Es gibt ein Lied von Georges Brassens, ein Ohrwurm für viele Franzosen. Die Sänger-Ikone kratzt eine militärische Fanfare auf seiner Gitarre und gibt damit den brutalen Chauvinismus und die für das Vaterland gestorbenen Helden der Lächerlichkeit preis. Brassens zählt alle jüngeren Kriege der französischen Geschichte auf: den von 1870/71, den von Napoleon, den Algerienkrieg. "Jeder hat etwas, das gefällt, jeder hat sein kleines Verdienst", spottet er. Dann gesteht er seinem Kolonel: "Ich, mein Kolonel, ziehe jenen von 1914 bis 1918 vor!"

Ist diese Liebeserklärung tatsächlich ironisch zu sehen? Wir Franzosen, im Gegensatz zu den Deutschen, nähren tatsächlich eine sentimentale, fast kitschige Erinnerung an unseren "Großen Krieg". Die Schlachtfelder auf unserem Territorium, Verdun, die Somme, die Meuse, das sind touristische Pilgerstätten, der "Poilu", der Frontsoldat, ein Maskottchen, das unsere kollektive Identität festigt. Ganz Frankreich verdrückte eine Träne, als der letzte von ihnen, Lazare Ponticelli, 2008 starb. Die Straßen Frankreichs tragen die Namen der großen Marschälle: Clemenceau, Foch, Joffre . . . Nur Pétain hat kein Recht auf ein Straßenschild! Der 11. November bleibt ein unantastbarer Feiertag. Als die nachfolgenden Regierungen beschlossen, die Zahl der Feiertage zu reduzieren, hat noch keiner es gewagt, den Jahrestag des Waffenstillstands von 1918 in die Debatte einzubringen.

Warum aber so viel Zärtlichkeit für einen so entsetzlichen Krieg? Weil das ein gewonnener Krieg ist, von denen wir nicht gerade viele haben . 1871 war eine Niederlage. 1940 ein Debakel. Unsere Soldaten kamen geschlagen zurück, die Regierung unterzeichnete den erniedrigenden Waffenstillstand von Compiègne, und die deutschen Truppen marschierten auf die Champs-Élysées. Dann kam die Kollaboration von Vichy. 1944, der 70. Jahrestag der Landung in der Normandie, dessen Feier François Hollande mit jener von 1914 koppeln möchte, ist vor allem ein Hochfest der Alliierten. Der November 1918 dagegen: welch Stolz! Unsere Soldaten defilierten erhobenen Hauptes über die Boulevards unserer Städte. Und Frankreich hat für die kommenden Zeiten eine kleine Stärkung des Selbstbewusstseins bitter nötig.

Pascale Hugues ist Korrespondentin des französischen Nachrichtenmagazins Le Point . Sie lebt in Berlin.

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