Mein Deutschland:Bitte etwas mehr Selbstvertrauen!

Deutsche Nervösität ist überall zu spüren.

Kate Connolly

Ich schreibe dies mit Erleichterung. Denn gerade haben wir im Guardian das Marathonprojekt "Germany Week" beendet. Zahlreiche Autoren versuchten herauszufinden, wie das vielleicht am meisten missverstandene Land Europas, das zunehmend in eine Führungsrolle in Europa gerät, tickt. Dazu interviewten wir Politiker, Analysten, normale Bürger oder den großen Autor Bernhard Schlink. Wir stellten unseren Lesern "Wutbürger" und "Ökotypen" vor und ergründeten die Seelen schwäbischer Hausfrauen ebenso wie jene von Angela Merkel und Wolfgang Schäuble - in dieser Reihenfolge. Dabei hatten wir viel Spaß bei David McAllister, der sowohl über die Stärke der deutschen Demokratie sprach als auch über die Schwierigkeiten, die Deutsche haben, wenn sie seinen Namen aussprechen.

Guardian

Zwei Frauen gehen am Eingang des Verlagshauses "The Guardian" und "The Observer" in London, England, vorbei.

(Foto: Getty Images)

Die meisten Leserreaktionen waren positiv. Einige mochten den Titel "Accidental Empire" ("Empire per Zufall") nicht, den ein Kollege in London ausgewählt hatte (ich hatte Vorbehalte dagegen). Und ein Leser fragte, ob wir bei unserem Porträt über Kanzlerin Merkel ihre Kritikerin Gertrud Höhler nur deswegen keine Spinnerin genannt haben, weil wir rechtliche Schritte fürchteten. Ein Leitartikel am Freitag fasste die Erkenntnisse der Serie zusammen. Fazit: Deutschland ist nicht geeignet für die Aufgabe, die es übernehmen soll, nämlich die Euro-Zone aus dem derzeitigen Minenfeld zu führen. Denn die deutsche Antwort auf dieses Ansinnen ist, eine kollektive Anstrengung Europas zu fordern, als wäre "Anführer" ein schmutziges Wort.

Die meisten Leserreaktionen gab es auf das Interview mit Bernhard Schlink in seiner Sommerfrische in Massachusetts, der das Bedürfnis der Deutschen beschrieb, sich in einer anderen Identität oder Kultur zu verlieren. Die "Last", Deutscher zu sein (wie Schlink es nannte), ließ Deutschland sich mit Lust in das europäische Projekt werfen, aber die Frage bleibt: Ist die EU für Deutschland der richtige Ort, um das gleiche Selbstvertrauen in seine Kultur und Politik zu entwickeln wie in seine Wirtschaft? Deutsche Nervösität darüber ist überall zu spüren. Dabei würde der Rest der Welt mehr deutsches Selbstvertrauen durchaus begrüßen. Im Gegensatz dazu steht die Wahrnehmung in Deutschland, dass es verdammt sei, wenn es die Führung übernehme, aber genauso wenn es das nicht tue. In den Worten eines langjährigen Diplomaten: Wie lange wird es noch nötig sein, Deutschland täglich anzurufen, um ihm mitzuteilen, wie sehr man es doch liebt?

Kate Connolly arbeitet in Berlin für die britische Tageszeitung The Guardian.

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