Mein Deutschland:Berner und Berliner

Man soll lieber miteinander als übereinander sprechen. Auch wenn daran vielleicht gar niemand Interesse hat.

Markus Sutter

Stimmt es, dass ihr Schweizer uns Deutsche nicht leiden könnt? wollen jetzt Freunde aus Berlin immer wissen. Ich zum Beispiel kann Euch überhaupt nicht ausstehen, antworte ich dann gerne. Sieh an, ein Schweizer mit trockenem Humor, heißt es dann, das sei mal was Neues. In Deutschland würden Schweizer zwar als nett, zuvorkommend und zurückhaltend wahrgenommen, aber sicher nicht als humorvoll, muss ich mich belehren lassen. Wie viele Schweizer kennt Ihr denn persönlich? will ich wissen. Ach, ich hatte einmal eine Tante im Wallis, sagte einer.

Mein Deutschland: Der nette Schein trügt: Die Schweizer haben auch eine ganz andere Seite.

Der nette Schein trügt: Die Schweizer haben auch eine ganz andere Seite.

(Foto: Foto: dpa)

Es ist wieder Zeit für Klischees. Seit der Bundesfinanzminister die Steueroase Schweiz ins Visier nahm, und das recht unzimperlich, ist Feuer unterm Dach. Die netten Schweizer zeigen sich plötzlich von einer ganz anderen Seite und begannen sich ebenso ruppig zu wehren. ("Herr Steinbrück, Sie haben Mundgeruch").

Das Bild vom bösen Deutschen machte von Genf bis an den Bodensee die Runde. Zumal als Franz Müntefering noch einen draufsetzte und von Soldaten sprach, die man früher in solchen Fällen losgeschickt hätte. Dass der SPD-Chef diese unklugen Worte an einem Aschermittwoch ausgesprochen hatte, geriet schnell in Vergessenheit. Gesagt ist gesagt. Da verstehen die Schweizer wirklich keinen Spaß.

Lange Zeit hat die Schweizer Aufgeregtheit in Deutschland niemanden interessiert, was kaum überrascht. Deutsche Politiker verhalten sich nicht anders. Steinbrück kann es sich locker leisten, die kleine Schweiz links liegenzulassen, Interviewwünsche von eidgenössischen Korrespondenten werden jedenfalls kategorisch abgeblockt, ohne Erklärung.

Und als die Bundeskanzlerin unlängst das Nachbarland besuchte, versuchten Schweizer Journalisten im Vorfeld einen Termin mit Angela Merkel zu vereinbaren, ohne Erfolg. Als Alternative bot man immerhin ein Treffen mit dem Regierungssprecher an. "Gäng söfu" (zu deutsch: immerhin soviel) sagten sich die Medienleute und nahmen die Offerte dankbar an. Keine zehn Minuten vor dem Treffen hieß es, dass Sprecher Ulrich Wilhelm leider "so viel am Hals habe", dass er absagen müsse. Symptomatisch?

Man soll lieber miteinander als übereinander sprechen, lautet in der Integrationspolitik eine wertvolle Empfehlung. Das trägt zur Deeskalation bei und hilft Missverständnisse ausräumen. Doch leider wird von dieser Möglichkeit in der Politik oft zu wenig Gebrauch gemacht. Weder der Berner noch der Berliner Finanzminister legten auf ein Gespräch großen Wert, obwohl sie unter vier Augen sicher einiges hätten klären können. Vielleicht hat daran aber gar niemand Interesse.

Vier Auslandskorrespondenten schreiben an dieser Stelle jeden Samstag über Deutschland. Markus Sutter berichtet aus Berlin für die Basler Zeitung.

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