Die besten Blogs zu:HOHEN WEIZENPREISEN

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Hier schlägt die Stunde der Spekulanten.

Zusammengestellt von Silvia Liebrich

An den internationalen Börsen steigen die Preise für Weizen und andere Agrarrohstoffe seit einigen Wochen. Börsianer erklären dies gern mit einer mittelprächtigen Ernte in Europa und den verheerenden Bränden in Russland, die dort weite Teile der Landwirtschaft hart trafen. Doch ist das wirklich so? Weder bei Weizen noch bei anderen Getreidesorten herrscht Knappheit, die Lager sind gut gefüllt, trotzdem steigen die Preise. Es sind also derzeit offenbar nicht Angebot und Nachfrage, die den Preis bestimmen, sondern vor allem auch Spekulanten, die immer mehr Kapital an den Agrarmärkten investieren, glauben viele Marktexperten. Der Einfluss der Finanzinvestoren ist unter Bloggern höchst umstritten. Sie diskutieren unter anderem über das Für und Wider einer Regulierung.

Kapriolen auf Feldern und Märkten für Brotgetreide. Seit Anfang Juli 2010 sind die Weizenpreise regelrecht explodiert und haben sich innerhalb von zwei Monaten nahezu verdoppelt. Bei Börsennotierungen von 200 Euro und mehr pro Tonne kommt allein auf die deutschen Mühlen eine Kostenlawine in einer Größenordnung von 800 Millionen bis 1 Milliarde Euro zu. (Foto: obs)

Klaus Peter Krause ( www.freiewelt.net) hält Spekulanten für nützlich: "Sie übernehmen und tragen für andere das Risiko, das anderen zu hoch ist. Damit erfüllen sie für Märkte und Wirtschaft eine wichtige Aufgabe, sind geradezu unentbehrlich." Landwirten und Müllern allein falle es schwer, geeignete Vertragspartner zu finden. Hier schlägt laut Krause die Stunde der Spekulanten. "Als Risikoträger springen Leute ein, die Geld haben, gleichsam ,Spielkapital', das sie notfalls auch verlieren können."

Ein Blogger auf www.bundes.blog.de kommt zu dem Schluss: "Das ist das Allerletzte!! Wenn Spekulanten und Banken ihre Geschäfte auf Kosten der hungernden Menschen machen. Spekulanten kaufen Getreide und halten es zurück und verknappen es künstlich, während arme Menschen auf der Welt an Hunger leiden - und nicht wegen schlechter Ernten, sondern damit Spekulanten und Banken den Preis hochtreiben und gut daran verdienen. Dieses System ist absolut krank und unglaublich unmoralisch."

Ralf Drescher schreibt auf www.blog.handelsblatt.com: "Je stärker Spekulanten das Geschehen an den Warenterminmärkten verzerren, desto unsicherer und in letzter Konsequenz vor allem teurer werden wichtige Grundnahrungsmittel. Bei Kakao als Genussmittel mag das noch zu verschmerzen sein, steigende Preise belasten die Schokoladenproduzenten und letztlich die Verbraucher in wohlhabenderen Staaten. Aber was, wenn sich die Spekulanten als Nächstes den Reispreis oder die Märkte für Mais, Weizen oder Sojabohnen vornehmen? Starke Preissteigerungen an diesen Märkten treffen die Ärmsten der Armen in Entwicklungsländern. In Extremszenarien können sie wie 2008 in Haiti zu Hungersnöten und Unruhen führen. Es wäre ein extrem hoher Preis dafür, dass einige Spekulanten ein paar Millionen mehr auf dem Konto haben."

Jürgen Schönstein erläutert auf www.scienceblogs.de: "Im Jahr 1991 kam die Investmentbank Goldman Sachs auf die Idee, einen Rohstoff-Indexfonds aufzulegen, in dem die Anleger auf die Preisentwicklung so alltäglicher Güter wie Rind- oder Schweinefleisch, Weizen und Mais, Kaffee oder auch Kakao spekulieren konnten. Der Fonds lief gut genug, um andere Banken zu Nachahmungen zu inspirieren. 2003 waren gerade mal 13 Milliarden Dollar in solche Fonds investiert, doch bis 2008 stieg die Summe auf 317 Milliarden. Zu viele wollten an dem Geschäft teilhaben. Und so entstand eine groteske Situation, in der die Nachfrage nach den Weizen-Zertifikaten höher war als nach dem Weizen selbst. Um 80 Prozent stiegen die weltweiten Ernährungskosten zwischen 2005 und 2008. Die Blase platzte 2008, weil sich - nach anfänglichen Missernten in Australien und Europa - die Weizenernte insgesamt dann als die ertragreichste aller Zeiten entpuppte. Letztlich wurde fast ein Viertel des US-Weizenüberschusses an Rinder verfüttert, die verbleibenden rund 20 Millionen Tonnen wurden als Reserve für die nächste Saison eingelagert. Doch die Spekulanten hatten ihre Profite gemacht, und essen muss letztlich jeder. Die nächste Blase - und damit die nächste Krise - kommt bestimmt."

© SZ vom 01.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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