09. Januar 2009:Ein Volk ohne Geschmack

Lesezeit: 6 min

Billig, haltbar, geschmacklos? Deutsche Konsumenten kaufen Lebensmittel gerne beim Discounter - ein Trend, der qualitativ schlechtere Produkte begünstigt.

"Billig lohnt sich", 3.Februar

Um in die Regale der Discounter zu gelangen, müssen Lebensmittel auch länger frisch bleiben - das aber wirkt sich auf den Geschmack aus. (Foto: Foto: SZ)

"Der Druck der Discounter auf die Lebensmittelherstellerbewirkt nicht nur billigere Produkte, sondern kann auch qualitativ schlechtere Produkte zur Folge haben. Die Lebensmittel müssen nicht nur billiger sein als bisher, um von den Billigketten akzeptiert zu werden, sondern auch länger haltbar. Das zwingt die Lebensmittelindustrie, Konservierungszusätze und billigere Rohstoffe zu verwenden. Keine Frage, dass sich das auf die Geschmacksqualität auswirkt.

Da über die Hälfte aller Lebensmittel in Deutschland davon betroffen sind, haben viele Konsumenten kaum mehr die Chance, Lebensmittel der ursprünglichen Qualität schmecken zu können. Dies führt schon seit langem zu immer unempfindlicheren Geschmackswahrnehmungen vieler Konsumenten. Schon vor Jahren, als ich ein Münchner Riech- und Schmecklabor leitete, sagte mir der Produktentwickler eines großen multinationalen Lebensmittelherstellers: 'Wir testen neue Produkte nicht mehr in Deutschland, auch wenn dies unser Hauptabnehmerland ist, sondern nur noch in Frankreich, Italien oder den skandinavischen Ländern mit anspruchsvolleren Konsumenten - die Deutschen essen eh alles, was ihnen angeboten wird, Hauptsache es ist billig...' Ob da nicht künftige Generationen in Deutschland um Wohlgeschmacks-Erlebnisse betrogen werden - und ob sich da billig wirklich lohnt?

Auch die haltbare Milch, die zunehmend in die Regale kommt, zeigt den schleichenden Prozess der Geschmacksverarmung eines ganzen Landes. Verbraucherschützer müssten sich verstärkt des Lebensmittelgeschmacks annehmen. Sowohl die Stiftung Warentest als auch die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft DLG müssten ihre Tests erheblich verbessern. Andere Länder haben Sensorik-Forschungszentren, die sich auf das Thema Geschmack konzentrieren (zum Beispiel das Institut du Goût in Frankreich). Würden wissenschaftlich anspruchsvolle vergleichende Tests das "Geschmacksgefälle" bei einzelnen Produktarten sichtbar machen, würden sowohl Konsumenten als auch Händler und Hersteller mehr auf den Geschmack achten, der ja ursprünglich geprägt wurde von den natürlichen Rohstoffen - und das übrigens auch bei industriell gefertigten Lebensmitteln."

Kurt H. Benz, Berg

"Der Dominoeffekt", 4.Februar

Leichte Beute für Autokonzerne

"Im Kommentar über Pleiten bei Zulieferern der Autokonzerne zeichnet Caspar Busse eine beunruhigende Perspektive auf. Tausenden Beschäftigten drohe der Verlust von Arbeit und auch wir Verbraucher haben uns auf gravierende Veränderungen einstellen. Und das alles, weil sich die Autokonzerne in der Zwischenzeit daran gewöhnt haben, dass Zulieferer ganze Systeme und Module entwickelt, produziert und angeliefert haben. Diese Tendenz ergab sich allerdings nicht, weil Zulieferer es besser konnten.

Nein, für die Konzerne war es bequemer und preiswerter geworden. Deswegen glaube ich, Konzernen wie BMW, VW und Daimler kommt die negative Entwicklung bei ihren Zulieferern nicht wirklich ungelegen. Von Ford und Opel mal abgesehen, werden die Großen der Branche auch künftig nicht auf Schlösser, Scheinwerfer oder Reifen warten. Die Gelegenheit, sich die begehrenswerte Beute leicht und preiswert unter den Nagel zu reißen - am besten als Konkursmasse - ist günstig wie nie. Geld, um sich die lästige Konkurrenz zu schnappen, steht ausreichend zur Verfügung. Hatte man doch zuletzt mit Finanzgeschäften besser verdient als mit der Produktion der Autos - nicht nur bei Porsche. Die Konzerne üben sich gegenwärtig in Geduld und warten auf die richtige Gelegenheit. Vielleicht ist dann ja auch noch was bei dem 'Goldesel' aus Berlin zu holen?"

Wolfgang Bolinski, Kassel

"Sonnige Geschäfte", 5. Februar

Hinter der Öko-Kulisse

"Glaubt man den Ausführungen im Artikel ist die Deutsche Bank ein vorbildliches Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit. Dass zur Zeit in Frankfurt die Türme der Deutschen Bank zu den 'umweltfreundlichsten Hochhäusern der Welt' werden sollen oder dass mit 250 Millionen Euro ein Solarpark in Spanien finanziert wurde, hört sich beeindruckend an. Auch das vierköpfige "Greentech-Team" scheint zukunftsweisend zu sein.

Schaut man hinter die auf Hochglanz-Grün polierte Kulisse, blättert schnell die Farbe ab. Bei weltweit 78000 Mitarbeitern steht das vierköpfige Ökoteam nicht mehr ganz so überzeugend da. Im November 2007 hat die Deutsche Bank zusammen mit anderen Banken dem Atomkonzern Areva einen Kredit über 2,5 Milliarden Dollar gewährt. Areva hat seit den Siebziger Jahren in Niger 100000 Tonnen Uran abgebaut. Der radioaktive Abraum lagert im Freien, und die Mitarbeiter arbeiteten mehr als 15 Jahre ohne Schutzkleidung. Ein weiteres Beispiel: Im September 2005 beteiligte sich die Deutsche Bank an der Ausgabe von Wertpapieren in Höhe von 2,4 Milliarden Dollar der Tochterfirma des chinesischen Erdölunternehmens CNPC. Dieses fördert aber einen großen Teil des Öls in Darfur. Die sudanesische Regierung finanziert mit diesen Erdöl-Einnahmen den Krieg in Darfur, dem bis jetzt 400000 Menschen zum Opfer gefallen sind."

Christoph Poss, Buchen

"Scharfe Waffe am Englischen Garten", 4. Februar

Radio Free Europe - Propaganda und Wirklichkeit

"Der Film über Radio Free Europe/Radio Liberty vermittelte in der Tat 'eine Ahnung über den Geist der Zeit', wie Klaus Brill schreibt. Ein Wort über die Unvollständigkeit des Films wäre jedoch hilfreich gewesen. Die ehemaligen Führungskräfte von RFE stellen ein lückenhaftes Bild über ihre Arbeit und den Ausgang des Kalten Kriegs vor. Sie behaupten auch, Washington habe keinen Einfluss auf die angeblich unabhängige Arbeit in München gehabt. Das stimmt nicht.

Der Sender hat zwar beachtliche Errungenschaften gegen den kommunistischen Gegner erzielt. Doch ein Endsieg der Propaganda aus München hätte noch lange auf sich warten lassen, wenn Michail Gorbatschow nicht an die Macht gekommen wäre. Ohne Halt aus Moskau konnten die kommunistischen Regierungen Osteuropas wie Kartenhäuser zusammenfallen. Der Name "Gorbatschow" kommt aber in dem Film kein einziges Mal vor. Es entsteht der Eindruck, dass wir Arbeitnehmer bei RFE/RL einzig und allein das Ende des Kalten Kriegs herbeigeführt hätten. Leider entspricht dies nicht den Tatsachen.

Außerdem sind ein paar höchst unbequeme Themen ausgeklammert: die faschistische Vergangenheit mancher Arbeitnehmer bei der Gründung des Senders; die Mitwirkung muslimischer Fundamentalisten im Rundfunk zur Destabilisierung der Sowjetrepubliken mit einer islamischen Bevölkerung; das ernsthafte Problem des Senders mit Antisemitismus und Nationalismus in den eigenen Reihen vor Ort, um nur einige zu nennen. Dazu kommen die ablehnende Haltung des Senders gegenüber Willy Brandts Ostpolitik und das Dilemma, wie der US-Sender ausgewogen über die amerikanische Teilnahme am verbrecherischen Vietnamkrieg berichten sollte."

Wayne Brown, München

"Flucht ins Private" , 2. Februar

Privatschulen würden gerne, können aber nicht

"Was Sie 'Flucht ins Private' nennen, ist nur ein Symptom. Die Schulen, die Sie "private" nennen, haben den Anspruch, öffentliche Schulen zu sein, jedoch in freier Trägerschaft. Warum? Weil hier Pädagogen, die mit Kindern und Eltern zusammenarbeiten wollen, mehr zu sagen haben als an Schulen in rein staatlicher Trägerschaft. Diese produzieren eine Unmenge an oft gut gemeinten, jedoch grotesk anmutenden Richtlinien, Vorschriften und Reformen. Daran leiden auch die freien Träger, die oft gegen ihre pädagogischen Einsichten Richtlinien erfüllen müssen. Die öffentlichen Schulen in freier Trägerschaft würden gerne mehr Kinder aus der 'Problemklientel' aufnehmen - können es aber nicht, da sie finanziell nicht gleichgestellt sind und Schulgeld nehmen müssen. Das können oder wollen sich 'bildungsferne' Migrantengruppen nur selten leisten."

Sönke Bohn, Berlin

"Väter der Kulisse", 2. Februar

Was einen Star-Architekten ausmacht

"Die 'Väter der Kulisse' der Münchener Kaufingerstraße, deren Ähnlichkeit zum Beispiel mit der Kölner Schildergasse augenfällig ist, sind keineswegs jene von Gerhard Matzig gebrandmarkten 'Star-Architekten', deren Bezeichnung als Zunft - gleich den Star-Köchen - ausschließlich einem Medienzauber entspringt, der den Starkult in die Baukultur trägt. Den genannten üblichen Verdächtigen Foster, Gehry, Hadid, Nouvel und Herzog & deMeuron ist merkwürdigerweise vor allem die internationale Würdigung durch den Pritzker-Preis für Architektur gemeinsam. Diese bewertet nicht eine Einzelleistung, schon gar nicht, dass ihre Preisträger unzählige Städte auf verschiedenen Kontinenten mit der Serienanfertigung von Baukörpern beglücken. Die Schelte sollte daher eher die an der Auslobung eines Architekturprojektes Beteiligten treffen, das heißt, die dafür zuständige Jury.

Deren Zusammensetzung sorgt allerdings auch für beachtliches Gelingen ebenso wie für die Beseitigung des Vorurteils, "Star-Architekten" bauten bevorzugt für reiche Klientel. In einer gänzlich gesichtslosen Vorstadtumgebung von Madrid baute Pritzker-Preisträger (2005) Thom Mayne (Morphosis) ein herausragendes Projekt des sozialen Wohnungsbau (Bilder unter www.arcspace.com), das in grotesker Weise die Austauschbarkeit der Umgebung hervorhebt. Die besten Architekten heute bauen ohne künstlerischen Anspruch, der nichts als ein Anspruch bleibt. Wie sagte Jacques Herzog doch in einem Interview mit einer deutschen Wochenzeitung: 'Architektur ist Architektur. Kunst ist Kunst. Architektur als Kunst ist unerträglich.'"

Wolfram Bodsch, Pasadena

"Drei-Klassen-Deutschland", 29. Januar

Land der zwei Klassen

"Auch ich bin eine dieser 'schlechter' ausgebildeten Erzieherinnen, die Felix Berth kritisiert. Eine Ausbildung von fünf Jahren ist aber sicher nicht schlechter als ein Studium von bis zu zehn Semestern. Pädagogen von der Uni haben mehr theoretisches Wissen angehäuft, aber macht das einen guten Pädagogen aus? Doch eher wohl der Mensch, der dahintersteckt. Ist es nicht eine Gesellschaftkrankheit, dass nur noch Menschen mit Abitur und Studium angesehen sind? Wenn ich die Entlohnung der Erzieher sehe, dann schließe ich daraus, dass wir auf eine klassische Zwei-Klassen-Gesellschaft zusteuern von jenen, die sich alles leisten können und jenen, die jeder Chance beraubt werden, auch wenn sie eine Ausbildung haben."

Marieta Helbling, Murnau

© SZ vom 09.02.2009/agfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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