7. Februar 2009:Die Legitimation des Widerstands

SZ-Leser schreiben: Stauffenberg und andere Hitler-Gegner haben im Wissen um ihre Mitschuld für das Geschehen im Dritten Reich gehandelt.

Zur Rolle des Hitler-Attentäters Claus Schenk Graf von Stauffenberg ("Der heikle Heilige", 23. Januar und "Die Entlarvung des 20. Juli", 30. Januar):

7. Februar 2009: Ein SZ-Leser schreibt: "Evans hat Recht, wenn er Stauffenberg nicht uneingeschränkt als Vorbild für die heutige Zeit charakterisiert. Das mindert nicht die Größe der Stauffenbergschen Tat"

Ein SZ-Leser schreibt: "Evans hat Recht, wenn er Stauffenberg nicht uneingeschränkt als Vorbild für die heutige Zeit charakterisiert. Das mindert nicht die Größe der Stauffenbergschen Tat"

(Foto: Foto: AFP; Gedenkstätte Deutscher Widerstand)

Richard Evans' Überlegungen zu Stauffenberg und den politischen Konzepten des Widerstandes sind weit entfernt vom Forschungsstand. Ganz zu schweigen von dem Urteil des Stauffenberg-Biografen Peter Hoffmann, der Historiker Steinbach, Mommsen oder Joachim Fest. Der Vorwurf gegen Stauffenberg und den Widerstand lautet, "für die parlamentarische Demokratie zeitlebens nur Verachtung übrig" gehabt zu haben. Schon die heute wissenschaftlich bearbeitete und kritisch geprüfte Aufarbeitung der Neuordnungspläne des Widerstandes sprechen eine andere Sprache. Die Wiederherstellung der persönlichen Würde des Menschen, von Freiheit und Recht, die Beendigung von Verfolgung und Unterdrückung, der Vernichtung der Juden und Minderheiten, ein sofortiges Ende des Krieges sind das politische Fundament von Attentat und Staatsstreich.

Die schweren Vorwürfe von Evans verhöhnen Ansehen und Tun des Widerstandes. Er verspottet damit gleichermaßen Moltke und den Kreisauer Kreis, die Denkschriften des Freiburger Kreises, die Sozialdemokraten und Gewerkschafter, Julius Leber und seine Mitstreiter, und nicht zuletzt Dietrich Bonhoeffer und Alfred Delp. Sie haben im Wissen um ihre Mitschuld für das verhängnisvolle Geschehen des Dritten Reiches gehandelt. Hierin liegt die moralische Legitimation.

Rüdiger von Voss Bonn

Die tödliche Falle der Tugenden

"Als moralische Geste war Stauffenbergs Bombe ohnehin völlig unzureichend, um die Verbrechen auszugleichen, die im Namen Deutschlands und mit der überwältigenden Unterstützung, der Duldung oder dem schweigenden Einverständnis des deutschen Volkes begangen wurde", schreibt Evans. Wer hätte je eine so unsinnige Aussage machen können, die Verbrechen, die in deutschem Namen verübt wurden, könnten "ausgeglichen" werden?

Unklar ist, worauf Evans die Behauptung stützt, die Verbrechen wären mit der überwältigenden Unterstützung, der Duldung des deutschen Volkes geschehen. Die Verbrechen, sowohl die ethnischen Mordkampagnen als auch die durch Missachtungen der Genfer Konventionen bei der Kriegführung, wurden von der diktatorischen Staatsführung vor dem Volke strikt verborgen gehalten. Sie wurden allenfalls als unsichere Gerüchte und bruchstückhaft bekannt. Wie konnte sonst Carl Gördeler als Teilnehmer der Verschwörung auf die Idee kommen, man müsse öffentlich von Konzentrationslagern und der Ausrottungspolitik erzählen, dann werde ein Volksaufstand losbrechen?

Man muss wohl Zeitzeuge sein, um zu verstehen, weshalb die Mehrheit des Volkes damals über das Attentat auf Hitler zwiespältig dachte, zum Teil entsetzt und bereit war, die Kriegführung befehlsgemäß bis zum Äußersten fortzusetzen. Der Staatschef konnte noch nicht als mörderischer Verbrecher gesehen werden, und täglich demonstrierten alliierte Luftflotten, dass das Deutsche Reich zerschlagen werden sollte. Die Forderung der bedingungslosen Kapitulation und die leider sehr berechtigte Furcht vor der Sowjetarmee taten ihr Übriges, dass man zwar mehr und mehr resignierend aber verbissen weiterkämpfte. So entwickelten sich die Tugenden der Disziplin und des Pflichtbewusstsein als tödliche Falle.

Wolfhart Schulz Ottenhofen

Im Führungszirkel der Nazis

Der Autor Karl Heinz Bohrer entlarvt sich hier selbst durch seine aggressive Sprache, die eines Wissenschaftlers und Professors unwürdig ist. Es ist doch unbestreitbar, dass jemand wie Stauffenberg, der bis in den obersten Führungszirkel der Nazis aufgestiegen ist, diesem verbrecherischen System auch "gedient" haben muss. Und natürlich hatte er auch eine weniger demokratische Vorstellung von einem Nachkriegs-Deutschland. Ganz anders dagegen die moralisch und graduell höher zu bewertenden Hitler-/Nazi-Gegner wie Bonhoeffer, Elsner oder die Weiße Rose, die dieses Regime von vornherein abgelehnt beziehungsweise bekämpft haben.

Dietmar A. Angerer München

Ein schwieriges Weltbild

Evans hat Recht, wenn er Stauffenberg nicht uneingeschränkt als Vorbild für die heutige Zeit charakterisiert. Das mindert nicht die Größe der Stauffenbergschen Tat, die uns Deutschen heute noch zur Ehre gereichen kann. Aber die Gesamtheit seines Weltbildes und seine spezifischen Motive (soweit mir bekannt) können nicht als ethischer Maßstab für unsere heutige Gesellschaft dienen. Bohrers Polemik fehlt Differenziertheit. Wie er über die "politisch korrekten, relativ konformistischen Nachkommen der Nazis" (wozu ich mich zählen könnte), grenzt schon hart an Verunglimpfung.

Dr. Rainer Kandler Bonn

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